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Raffaela Rudigier · 05. Apr 2016 · Literatur

„Was mir die Erdmännchen erzählen – Texte mit Tieren“ - Christian Futscher hat ein neues Buch geschrieben

Der in Wien lebende Vorarlberger Autor Christian Futscher hat ein neues Buch geschrieben: „Was mir die Erdmännchen erzählen – Texte mit Tieren“ wartet mit Wortwitz, schwarzem Humor, einer Portion Ironie und scheinbar ganz banalen Alltagsbegebenheiten auf. Manchmal steckt dahinter etwas mehr – manchmal aber auch nicht. Auf jeder Seite findet sich jedenfalls ein Tier.

Dabei überraschen die Geschichten hinter allegorischen Titeln, wie etwa „Schlange und Huhn“. Beim Anstehen an der Kassa-Schlange beschimpft der nervöse schmächtige Hintermann das kurze Nicht-Weitergehen des Vorderen mit: „Geh weida, du Tschusch!“ Was mit folgender Bemerkung quittiert wird: „Laut und stark schlägt das goldene Wienerherz in so mancher Hühnerbrust.“
Beim Lesen von Futschers neuem Buch fällt auf, wie oft in vielen verschiedenen Situationen menschliches Dasein mit tierischen Wörtern und Vergleichen umschrieben wird. Wir sind eben „tanzende Tiere“, wie der Autor schreibt. In der dichten Ansammlung seiner „Texte mit Tieren“ macht das Spiel damit Spaß, wirkt oft skurril und erschöpft sich hin und wieder in schlappen Wortwitzen.
So wundert man sich über den Besuch auf dem Tierfriedhof Simmering, der mit Grabstein-Inschriften wie „Unser Engel Candy“, „Mein Sonnenschein Herkules“ oder „Schlafe wohl, Bärli“ aufwartet. Und kurze Gedichte regen zum Schmunzeln und durchaus auch zum Nachdenken an: „Mahlzeit/ Auf jeder Speisekarte/ so viele Tiere.“ Oder: „Das Huhn in der freien Natur/ hat keine Panier.“
Humor und Lust am Nonsens beweist Futscher durchwegs. Etwa wenn er sprachwissenschaftliche Überlegungen anstellt: „Ein Freund hat mir geschrieben, dass WOLF auf Türkisch KURT und auf Finnisch SUSI heiße./ „Irgendwie gibt mir das zu denken“, schreibt er.“ Oder an anderer Stelle „Wörter/ Das Wort VÖGELN für FICKEN wird kaum noch verwendet, kommt mir vor,/ nicht so das Wort UNGLÜCKSRABE für PECHVOGEL./ Was lernen wir daraus?/ Einen Scheißdreck.“

Zuviel des Guten kommt durchaus auch vor, wenn zum Beispiel die Rede ist von einem Spatz, der „Iergang“ hieß, von einem Schaf, das „Fott“ hieß, von einem Cop namens „Ulation“ bis hin zu Affen namens „Theater“ – haha, Schenkelklopfer – aber über Humor lässt sich bekanntlich streiten.

Und während er Texte mit Tieren und Tiergedichte schreibt, zitiert er die deutsche Schriftstellerin und Professorin Kerstin Hensel aus ihrem Buch „Das verspielte Papier“: „Innerhalb der Naturgedichte sehe ich Tiergedichte als diejenigen, die selten die Sphäre der Poesie erreichen.“ Futschers Kommentar: „Jetzt würde mich auch noch die Meinung von Gretel interessieren.“

Sammelsurium


„Was mir die Erdmännchen erzählen“ ist ein Sammelsurium an Notizen, tagebuchartigen
Eintragungen, Mosaiken, Gedichten, Geistesblitzen, inneren Monologen, Erfundenem, (wahrscheinlich) Wahrem, Retrospektiven und vielem mehr. Gewitzt und verspielt. Sogar ein Kalligramm (ein Figurengedicht) in Form eines Pfeiles findet sich darin. Alte Texte werden hervorgekramt und immer wird viel zitiert. Die literarischen Anspielungen reichen von Heinrich Heine über Charles Bukowski und Urs Widmer bis hin zu Richard Brautigan. Er zitiere eben gerne, schreibt Futscher. „Du klaust doch nur!“ meint sein Sohn.

Am Besten bringt es der Schriftsteller selbst auf den Punkt, in seinem nachgestellten „Vorwort zu einem Buch, das nicht geschrieben wurde“: „mein buch besteht aus gedichten, kurzprosa, hauptsächlich e-mails und anderem. mein befreiendes motto seit langem: einmal so, einmal so. auf jeder seite kommt mindestens ein TIER vor. ich habe kein besonderes naheverhältnis zu tieren. (...) holprige sätze lasse ich manchmal stehen, verhatschte auch, weil sie mir leidtun. auf perfektion pfeife ich, die kleinen fehler mag ich. was für fehler? (...) ich könnte endlos so weiterschreiben, aber das will ich niemandem zumuten. (...) irgendwann werde ich nicht mehr schreiben, dann bin ich tot.“

Auch was fürs Auge


Doch zuvor gibt der zum Glück lebendige Autor noch Einblicke in das Leben eines Schriftstellers, in dem er sich zum Beispiel (in Anspielung an James Joyce) im „Porträt des Schriftstellers als faule(n) Hund“ darstellt: „(...) Manchmal ist es richtig schön, wenn nichts weitergeht, und ich sage:/ „Passt schon, so kann´s bleiben.“ Um im nächsten Gedicht mit dem Titel „Vormittag im Bett“ mit Humor und vielleicht mit etwas Genugtuung nachzulegen: „Die Konkurrenz schläft nicht,/ ich schon.“ Genau deshalb nennt seine Frau (ein paar Seiten später), bevor sie zur Arbeit geht, den Dichter und die Katze, die beide im Bett liegen, die „zwei Privilegierten“.

Auch der innere Schweinehund wird öfter zum Thema, wenn es ums Schlafen, Faulsein, um Langeweile oder um die Glückseligkeit von Zoobesuchen geht: „Freie Sicht auf die Sonne/ Es gäbe natürlich viel anderes zu tun./ Wichtigeres, Sinnvolleres, Nützlicheres und so weiter, als stundenlang den Erdmännchen zuzusehen,/ ich weiß schon.“ Aber „die Zeit ist zum verplempern da“ schrieb weiland Charles Bukowski.
Hier passen auch wunderbar einige von Futschers Anekdoten zur Senkung der Arbeitsmoral her: „Faultier/ Aus der Serie Gut gekürzt/ Mein Hobby:/ Däumchen drehen“. Oder auch der vielsagende Untertitel „Aus der Serie Hingerotzt und nicht überfeilt“, dem natürlich ein eben solcher Text mit zahlreichen Fehlern und Auslassungen folgt.

Futschers Texte sind auch was fürs Auge, denn ihnen stehen Zeichnungen von Bienen, Schnecken, Hasen und anderen Tieren des slowenischen Künstlers Oliver Marčeta gegenüber.
Warum es dem Autor ausgerechnet die Erdmännchen (siehe Buchtitel) angetan haben, dazu gibt es verschiedene Erklärungsansätze im Buch. Der Interessanteste ist vielleicht der, dass er (laut seinem Sohn) diese Tiere gut imitiere: „denn ich stelle mich gern wie ein Erdmännchen hin: angelegte „Vorderbeine“, Hohlreuz, leichte Rückenlage, Kopf in die Höhe gereckt, ruckartiges Umherschauen ...“

 

 

Christian Futscher, Was mir die Erdmännchen erzählen. Texte mit Tieren, Hardcover, 114 Seiten, € 19.90, ISBN: 978-3-7076-0573-0, Czernin Verlag, Wien 2016