Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 26. Aug 2022 · Film

Last Film Show - Das Licht, aus dem die Träume sind

Wenn es um das Kino im Kino, zumal als verklärte Kindheitserinnerung geht, dann ist der magische Realismus nicht weit. Der indische Filmemacher Pan Nalin erzählt autobiographisch angehaucht von einem Jungen, der sich seine eigene Welt aus Licht und Träumen baut. Eine Ode an den Film, die den kindlichen Blick kaum je verlässt.

„Last Film Show“ ist die Geschichte einer Kino-Faszination, erzählt aus der Sicht eines Buben. Beim einzigen Kinobesuch seiner Eltern, die das Medium Film aus moralischen Gründen grundsätzlich ablehnen, infiziert sich der Bub mit der Idee, dass sich aus Licht und Bewegung die Welt neu zusammensetzt. Die erste filmische Begegnung, in der es um eine indische Göttin geht, tauscht er in der Folge bei seinen heimlichen Kinobesuchen gegen Soldaten zu Pferd, gegen Gangster und gegen opulente Musik- und Tanzfilme aus. Während sich der Junge mit einem Kinovorführer anfreundet, um durch die Vorführluke heimlich die Filme zu schauen, verändert sich die Welt da draußen. Der Vater, der einen kleinen Teestand am Bahnhof hat, verliert seine Lizenz. Alle, die nicht mit den Entwicklungen der Zeit gehen, bestraft die Geschichte. „Das Licht aus dem die Träume sind“ ist als „Cinephilgood-Drama“ deklariert. Tatsächlich setzt der indische Filmemacher Pan Nalin seine Inszenierung recht eklektisch zusammen. Die farbenfrohen Bilderbögen, wie sie dem indischen Kino zu eigen sind, verschmelzen mit einer Ästhetik, die man gemeinhin als magischen Realismus bezeichnet. Die Welt erscheint geheimnisvoll und voller (visueller) Reize, deren Bedeutung sich dem jugendlichen Vagabunden nicht immer erschließt. In Episoden streift Nalin mit seinem Protagonisten Samay durch eine von kindlichen Eindrücken geprägte Landschaft. Mit ein paar Jungs treibt er sich auf den Geleisen herum, filtert das Sonnenlicht durch farbige Glasscherben. Er verschenkt das Essen seiner Mutter an den Kinovorführer, um wieder einen Film sehen zu können. Und er macht sich mit ein paar Freunden schließlich auf, um selbst einen primitiven Filmprojektor zu bauen.

Die Welt ist magisch

Nalins Erzählung ist zum Teil autobiographisch motiviert. Die Welt erscheint als Paradies, in das es viele inoffizielle Eingänge gibt. Man muss sie nur suchen. Vor allem aber ist es eine Welt, in der noch Geschichten erzählt werden. Im Kino, wohin die Handlung immer wieder hinführt. „Last Film Show“ scheut sich dabei nicht, in schwelgerischen Bildern von der Schönheit der Natur, der Oppulenz indischer Großfilme oder von tanzenden Sufis, die sich mit ihren roten Hüten in eine Ekstase wirbeln, zu erzählen. Eine Erdung erfährt die Handlung mit dem sozialen Niedergang des Vaters, der sich wie ein stilles parallel erzähltes Drama in kursorischen Bildern in die magischen Ausflüge des Sohnes mischt. Nalin entscheidet sich dafür, diese Familiengeschichte vornehmlich aus den neugierigen Augen des Jungen zu erzählen. Eine Ode an das Kino, nicht als soziales Drama, sondern als Erweckungserlebnis und als Möglichkeitsraum für jugendliche Ausflüchte. Dass den Jungen später einmal die harsche Realität einholen wird, ist dabei nicht gesagt. Schließlich ist aus dem Jungen ein Filmemacher namens Pan Nalin geworden, der sich mit seinen visuellen Ausdrucksformen längst einen Namen gemacht hat. Auf die Alten, die Abgehängten wie den Vater im Film, vergisst er aber nicht. Wie heißt es da einmal: In Indien gibt es mittlerweile nur mehr zwei Kasten: die die Englisch können und die, die kein Englisch können. Das Indien, wie es in „Last Picture Show“ zu sehen ist, gibt es also nicht mehr. Und natürlich hat es das so auch nie gegeben.