Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Thorsten Bayer · 13. Okt 2012 · Kleinkunst, Kabarett

Wider den Flüsterfuchs, Brotberaterinnen und Genitalleser: Michael Krebs in der Kammgarn

Wie bestreitet eigentlich Richard Clayderman, die menschgewordene Fönfrisur am Klavier, einen ganzen Konzertabend? Mit nur einem Song im Repertoire, der weltberühmten „Ballade pour Adeline“…Dieser nicht ganz ernstgemeinten Frage ging Michael Krebs zum Finale seines begeisternden Auftritts in der Kammgarn Hard nach. Der schwäbische Klavier-Kabarettist überzeugte auch an der E-Gitarre und in seinen Einlagen als Stand-up-Comedian.

Am gestrigen Freitagabend hätte sogar der Titel gepasst, den Michael Krebs ursprünglich für sein drittes Soloprogramm im Sinn hatte: „Ausverkauft“. Denn tatsächlich war es richtig voll in der Kammgarn. Trotzdem erscheint die schließliche Titelwahl sinnvoller: „Es gibt noch Restkarten“ wird wohl doch mehr Zuschauer zum weiteren Kartenkauf animieren…

Die Pommesgabel des Teufels versteht keinen Spaß

Wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hat, dass die alemannische Seele Schwaben und Vorarlberger vereint – Michael Krebs hat ihn geliefert. In Schwäbisch Hall geboren, im 50-Seelen-Kaff Neu-Kupfer aufgewachsen, nimmt er das kleinbürgerliche Leben, geprägt unter anderem vom auch hierzulande recht vertrauten „Schaffa, schaffa, Häusle baua“ herrlich aufs Korn. Dass sich so mancher Besucher in der Kammgarn „ertappt“ fühlen könnte, ändert nichts daran, dass sich das Publikum köstlich amüsiert. Das liegt vor allem daran, dass Krebs – bei aller Schärfe im Ausdruck – seine Pointen liebevoll setzt, nicht mit einer hochnäsigen oder besserwisserischen Attitüde arbeitet. Ob es um Grundschullehrerinnen oder sogenannte Genitalleser (Hellseher, die nicht aus der Hand, sondern aus den Genitalien lesen) geht: Die Grund-Sympathie des Künstlers gegenüber den parodierten Leuten ist immer spürbar. Das gilt sogar, wenn er in einer Berliner Bäckerei nicht einer Bäckereifachverkäuferin, sondern einer – laut Schild am Revers – Brotberaterin gegenübersteht.

Doch seine Zugewandtheit hat auch Grenzen, und zwar dann, wenn es um das Allerheiligste geht: Heavy Metal im Allgemeinen und die klassische Geste von Metal-Fans mit ausgestrecktem Zeige- und kleinem Finger. Bei einem Auftritt musste er erfahren, dass diese Geste in einem ganz anderen Milieu sehr beliebt ist - im Kindergarten, als „Flüsterfuchs“, der die Ohren spitzt. Das ist zuviel für ihn: Als „Pommesgabel des Teufels“ mag er ja selbst noch die Geste scherzhaft bezeichnen – aber beim „Flüsterfuchs“ hört der Spaß wirklich auf. Folgerichtig, dass seine mitgebrachten Merchandising-Artikel nicht ihn, sondern besagte Geste ziert, verbunden mit dem Aufruf: „Flüsterfuchs – Nein danke“.

Souverän und amüsant

In dieser wie auch in vielen anderen Situationen fällt positiv auf, wie unverkrampft und souverän Michael Krebs mit dem Publikum interagiert. Sein Handwerk beherrscht der Künstler, der in der Zwischenzeit Neu-Kupfer längst den Rücken gekehrt hat und in Hamburg wohnt, ohnehin; vor allem am Klavier, aber auch an der E-Gitarre, an der er auf sehr amüsante Weise aufdröselt, wie Thrash Metal im Stil von Kreators „Pleasure to kill“ funktioniert.

„Highway to Adeline“

Und um die Einstiegsfrage zu beantworten: Richard Clayderman kann nach Ansicht von Michael Krebs problemlos ein zweistündiges Programm füllen. Der Trick ist einfach: Man nehme einen beliebigen anderen Song und juble ihm an passender Stelle das charakteristische „Damm – damm – dammdammdammdammdammdamm – dadamm – damm…“ unter. Das funktioniert erstaunlich gut, wie er live beweist. Sogar bei Songs, die einer süßlichen Piano-Version unverdächtig sind – etwa bei AC/DCs „Highway to Hell“. So endet ein ausgelassener Abend mit einer Art „Highway to Adeline“.

 

www.kammgarn.at
www.michaelkrebs.de

Die Richard-Clayderman-Nummer auf Youtube: www.youtube.com/watch?v=Nrr622U2Xig