Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Thorsten Bayer · 18. Sep 2020 · Kleinkunst, Zirkus

Komme, was wolle – Maraña im Freudenhaus Lustenau

Körpertheater, Installation, Tanz, bildende Kunst: Alle Begriffe treffen zu und doch beschreiben sie nur unvollständig die Arbeit dieser Kompanie. Sehenswert ist Maraña auf jeden Fall. Ein ausgeprägtes Faible für Stricken oder Häkeln ist nicht nötig, mit einer Rot-Grün-Blindheit hingegen wird der Abend nur halb so beeindruckend.

So etwas hat man noch nicht gesehen, ich zumindest nicht. Eine knallbunte Wand aus Wolle bildet das Bühnenbild, das mit dem Start der Show auch noch zu pulsieren beginnt. Zunächst ist nur ein DJ in – natürlich – wollenem Kostüm zu sehen, der am Bühnenrand Keyboard, Bongo und Elektro-Drums bearbeitet. Nach und nach fliegen einzelne Wollstränge aus dem Backstage-Bereich nach vorne, entweder über die Wollwand geworfen oder aus zahlreichen Ausstülpungen in der Wand. Nach und nach erscheinen aus diesen „Mündern“ (?) einzelne Hände, Füße und schließlich ganze Menschen. Völlig durchgeknallt, aber zweifellos packend. Die Chilenin Paula Riquelme zeichnet für Konzept und Regie verantwortlich. Sie ist ehemalige Zirkusartistin. Von Choreographie versteht sie offensichtlich auch eine Menge. Vor drei Jahren entstand Maraña; eine Kompanie, die in Berlin zuhause ist. 

Interpretationsmöglichkeiten


Der Begriff Maraña bedeutet Verwicklung, Gestrüpp – laut Pressetext „also etwas, in dem trotz vorscheinender Undurchdringlichkeit besondere Lebensräume verborgen sind, die erst diejenigen zu sehen bekommen, die sich auch hineinwagen“. Riquelme lässt sich von der Natur inspirieren. Besonders interessant findet sie die ganz unterschiedlichen Interpretationen der Zuschauerinnen und Zuschauer: Für die eine geht es offenkundig um Sex, ein anderer versteht das Dargebotene als Erklärung von Leben und Tod, mit der Wollwand als Trennung zwischen dem Dies- und dem Jenseits. Sie sagte einmal: „Wenn jemand der Bedeutung der Performances auf den Grund gehen will und mich fragt: ‚Warum?‘, dann frage ich zurück: ‚Warum nicht?‘“

Psychedelisch

Die Show besteht aus drei Teilen – Inside, Leg Lag und Unk – , die jeweils eine halbe Stunde lang sind. Dazwischen gibt es 20-minütige Pausen. „Inside“ versprüht von Anfang an eine intensive, hypnotische Atmosphäre, wickelt Darsteller und Publikum gleichermaßen ein. Das liegt nicht nur an der omnipräsenten Wolle. Die komplett wortlos ablaufende Show hat etwas von Voodoo: magische Momente mit rätselhaften Tanzszenen in einer dschungelartigen Landschaft, die gleichzeitig grell neonfarben erleuchtet. Dazu die treibende Musik des DJs. Neugierige Kulturfreunde, die sich für The Doors, Grateful Dead oder M. C. Escher interessieren, werden diesen Abend sicherlich genießen.

Zweite Show im Freudenhaus


Es ist visuell überwältigend, was die vier Künstler – ein DJ, eine Tänzerin und zwei Tänzer – auf die durchtrainierten Beine stellen. Gruselig wird es an einigen Stellen, vielleicht auch, weil die Gesichter der drei Darsteller erst ganz am Ende zu sehen sind. Zuvor sind sie von schwarzem Stoff verhüllt. Mit der Zeit, spätestens beim dritten Teil, haben sich die Abläufe und Effekte etwas abgenutzt. Faszinierend und einzigartig bleibt die Show allemal.

Am heutigen Freitagabend spielt Maraña ein zweites Mal. Um 20 Uhr geht´s los, Einlass ist um 19 Uhr. Die Corona-Regelungen haben die Veranstalter bestens im Griff.
Tickets und weitere Infos unter www.freudenhaus.or.at