Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 16. Jän 2023 · Musik

Intensive musikalische Aussagekraft des SOVs

Das Symphonieorchester Vorarlberg traute sich und dem Publikum einiges zu, denn die Programmverantwortlichen setzten den Operneinakter „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók als konzertante Aufführung auf das Programm des aktuellen Abonnements. Unter der Leitung von Leo McFall gelang dem groß besetzten Orchester eine eindrückliche Werkdeutung, die wesentlich vom faszinierend gestaltenden Bassbariton Gábor Bretz und der hervorragenden Mezzosopranistin Paula Murrihy lebte.

Béla Bartók komponierte mit seiner Oper „Herzog Blaubarts Burg“ im Jahr 1918 ein musikdramatisches Mysterienspiel, das weit in die Zukunft wies. Die Burg des Herzogs lässt sich in vielfacher Hinsicht interpretieren. Sie wirkt psychologisch symbolträchtig, indem sie eine Innenschau in die Persönlichkeit des Protagonisten erlaubt. Zugleich kann die Oper als philosophisch-ästhetisches Modell des individuellen Erlebens jedes einzelnen betrachtet oder als Sinnbild von Entfremdung und Einsamkeit verstanden werden. Die vieldeutigen Symbole spiegeln sich in der Musik wider. Darüber hinaus irritieren Gegensätze zwischen den weitestgehend aus der Sprache geformten Gesangspartien und klanggewaltigen Tuttiausbrüchen des Orchesters.
Bei der Aufführung im Bregenzer Festspielhaus öffnete sich ein großer dramaturgisch-musikalischer Spannungsbogen, der eine dichte Atmosphäre bewirkte und die Zuhörenden in den Bann zog. Der Bassbariton Gábor Bretz füllte seine Rolle als Herzog Blaubart derart intensiv aus, dass die vielschichtige, einsame, aber zugleich auch abgründig wirkende Persönlichkeit ganz unmittelbar spürbar wurde. Ebenso gut war die Rolle der Judith mit der Mezzosopranistin Paula Murrihy besetzt. Den dringlichen Aussagegehalt gestaltete sie mit überzeugender Darstellungskraft. Bewundernswert war, dass die Anstrengung der hochkomplexen Gesangspartien nie spürbar wurde. Im Gegenteil, Gábor Bretz wirkte fast „stoisch“ beherrscht und unterstrich damit die psychologisch-philosophische Werkanlage wesentlich.

Die Gesangspartien herausragend besetzt

Ein besonderes Augenmerk legten Paula Murrihy und Gábor Bretz auf die sprachliche Diktion der melodischen Linienführungen. Bereits in der eingespielten, in ungarischer Sprache deklamierten Einleitung mit der sonoren und rhythmisch mitreißend deklamierenden Stimme wurde hierfür das Fundament gelegt. Es gäbe viel zu berichten über die Ausführung einzelner Passagen im Dialog miteinander, beispielsweise über die Phrasierung von Verbotssätzen des Herzogs Blaubart und über die Imperative von Judith.

Symbolträchtiger und farbenreicher Orchesterpart gut ausgeformt

Die Musiker:innen des Symphonieorchesters Vorarlberg unter der Leitung von Leo McFall wirkten in der großen Besetzung wie ein gewaltiger Organismus. Detailreich formten sie die leitmotivischen melodischen Klammern sowie Toncharaktere. In den einzelnen Räumen verströmten die impressionistischen, nuanciert instrumentierten Klangflächen eine dichte Wirkung. Emotionsgeladene Ausbrüche im Tutti leuchteten die Symbolkraft der Handlung hervorragend aus.
Bartóks Oper liegt ein detailliertes Licht- und Farbenkonzept zugrunde. Doch dieses wurde im Rahmen des 4. Abonnementkonzertes leider nicht miteinbezogen. Umso mehr kamen die Klangfarben des großen Orchesterapparates zur Geltung und auch die Wirkmacht der Harmonik und deren spannungsgeladene Beziehungsfelder wurden musikalisch transparent abgesteckt.

Der Vollständigkeit halber

Um dem Abonnementkonzert die obligatorische Länge zu geben, interpretierte das SOV zu Beginn die Suite op. 16 „Pohádka“ von Josef Suk. Zwar gestaltete Pawel Zalejski den Violine-Solopart berückend schön aus, doch die Werkdeutung als Ganzes wirkte eher gemäßigt, wenig plastisch und hätte insgesamt mehr Esprit vertragen können.

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