Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thorsten Bayer · 16. Apr 2023 · Musik

Große Entdeckungen beim Dynamo Festival

Vom 13. – 15.4. fand das Dynamo Festival am Spielboden statt.

Prominente Namen sind das eine. Von ihnen hatte das diesjährige Dynamo Festival einige zu bieten: Felix Kramer, Bibiza, SOHN beispielsweise. Alle boten am Spielboden in Dornbirn sehenswerte Shows. Einen noch stärkeren Eindruck hinterließen allerdings unbekanntere Künstler:innen, allen voran Bipolar Feminin, Petrol Girls und die Vorarlbergerin Nnella. Und Oskar Haag? Der spielt sowieso in seiner eigenen Welt.

Das nennt man wohl gutes Timing: Am Tag, als Oskar Haag mit seinem angemessenen sehnsüchtig betitelten „Love me for tonight“ die Spitze der FM4-Charts erobert, steht bzw. sitzt er auf der Spielboden-Bühne. Zwei Jahre ist er nun schon als Musiker unterwegs und immer noch blutjung – 17! Einerseits wirkt er sympathisch zurückhaltend, andererseits ist er Vollprofi mit beeindruckender Bühnenpräsenz. Bei seinem Auftritt erstirbt das notorische Dauerquatschen im Publikum. Songs wie „Lady Sun & Mr. Moon“ balancieren hart an der Grenze zum Kitsch – aber was soll’s? Dem gut geschminkten Mann im Netzhemd nimmt man seine traurigen Liebeslieder problemlos ab. Ob Naturtalent oder genetische Prägung (sein Vater Oliver Welter ist der Kopf der Indieband Naked Lunch): Oskar Haag hat zweifellos eine Sonderrolle in diesem – und jedem anderen – Line-up.

„Bands mit Botschaft“

Zu den auffälligsten Künstler:innen – sowohl von den Texten als auch von den Auftritten – zählen Bipolar Feminin und die Petrol Girls. „Bands mit Botschaft finden wir sehr wichtig, die können durchaus auch was bewirken und bewegen. Es wird bestimmt eine energiegeladene Show, die auch zum Nachdenken anregt. Das Dynamo steht 100-prozentig hinter Bands wie den Petrol Girls. Toleranz und Gleichberechtigung ist auch absolut unsere Position!“, erklärte Kurator Andreas Mäser im Vorfeld. Die Petrol Girls halten, was ihr Debütalbum verspricht: „Talk of violence“ heißt es programmatischerweise. Sängerin Ren Aldridge singt beispielsweise von Themen wie (der eigenen) Abtreibung. Das ist Wut, in nicht mehr als 5 Akkorde und nicht weniger als gefühlte 120 Dezibel gegossen – und dennoch alles andere als simpel. Eine Zugabe gibt es leider nicht. Bei einem Coversong hätte ich auf den Rage-Against-The-Machine-Klassiker „Killing in the name of“ getippt. Er hätte sich nahtlos in das Programm eingefügt.

Nnella, Akne Kid Joe und UCHE YARA 

Den Samstag eröffnet Nnella, geboren als Nadja Bodlak in Hohenems. Ihr Heimspiel nutzt die junge Musikerin, beispielsweise mit einem sehr gelungenen „Anti-Valentinstags-Song, ein Hoch aufs Single-Dasein“. „Ich habe das Gefühl, das wird in Vorarlberg ein bisschen als Krankheit angesehen – nein!“, betont sie. Ihr Repertoire ist sehr breit, der Auftritt absolut sehenswert. Von ihr wird man noch einiges hören. Ihr folgt die Punk-Band Akne Kid Joe. Im Wettbewerb um den originellsten Bandnamen dieser drei Tage ist ihr der geteilte erste Platz (mit Bipolar Feminin) nicht zu nehmen. Der rechte Fuß ist bei den Nürnberger:innen auf dem Gaspedal eingerastet, das geht schön nach vorn. UCHE YARA hat keine leichte Aufgabe nach Oskar Haag, dennoch leeren sich bei ihrem Auftritt die (Sitz-)Stufen zugunsten der Tanzfläche. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend, der Gitarrist schmachtet sie an und ist damit sicher nicht der Einzige im Saal.

Musikalische Heimat

Der Freitags-Headliner Bibiza – übrigens derzeit mit „Stadtpark Insomnia“ auf Platz 8 der FM4-Charts – begeistert vor allem die jungen Zuhörer:innen. Jubel ernten auch die Wallners. Warum, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht. Der Auftritt tut nicht weh, zieht aber auch nicht gerade die Wurst vom Brot. Die Gesangstöne spielen sich, großzügig aufgerundet, innerhalb einer halben Oktave ab – und selbst die gehen manchmal daneben. Der Breitwandsound aus halliger Gitarre und Keyboard ändert sich um keinen Millimeter. Wenn die Petrol Girls Musik gewordenes Adrenalin sind, haben wir es hier mit Valium zu tun.
Florence Arman kommt deutlich energischer daher. Sehr professionell, etwas glatt, aber gelungen. In der Anmoderation zu ihrem Song „Home“ erzählt sie, dass ihr durch viele Umzüge in der Kindheit etwas die Wurzeln fehlen. Dafür scheint sie umso mehr in der Musik zuhause.

https://www.dynamofestival.at/