Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Füssl · 07. Dez 2021 · Gesellschaft

Peter Füßls Wochenschau 49/2021: Von pandemischem Missionierungswahn und aufdringlicher Alleswisserei

In Tagen wie diesen muss man manches gleich vorneweg deklarieren: der Verfasser dieser Zeilen ist genesen und doppelt geimpft. Nicht so sehr aus tief empfundener Überzeugung, eher aus pragmatischen Gründen: Die Pandemie ist eine ausgesprochen lästige und in Extremfällen auch nicht ganz ungefährliche Tatsache, ein – wie sich immer mehr herausstellt – nicht enden wollendes Jammertal, das sich mittels gültiger, EU-konformer Impfzertifikate noch am ehesten einigermaßen energie- und nervensparend durchpflügen lässt. Lieber ein Stich in den Arm als zweihundertmal in der Nase gebohrt, sagen wir Impf-Pragmatiker, denen es ohne große ideologische Anmaßungen ganz selbstsüchtig in erster Linie einmal um uns geht. Ein gesunder Egoismus mit der angenehmen Nebenwirkung, Andersdenkende, welcher Art auch immer, nicht – koste es, was es wolle – von unserer Meinung überzeugen zu müssen.

Nun ist schon klar, dass der Egoismus in unserer Gesellschaft zwar eine Hauptantriebsfeder für Aktivitäten jeglicher Art darstellt und am liebsten im Verborgenen permanent und mit großer Hingabe gehätschelt wird, aber dennoch vom moralischen Standpunkt her nicht sonderlich hoch im Kurs steht. Dennoch habe ich nicht vor, mein Haupt mit Asche zu bestreuen, denn was mir im Rahmen der ganzen Diskussionen und Polemiken für und wider die Corona-Impfungen zunehmend auf den Geist geht, sind die von pandemischem Missionierungswahn gebeutelten Alleswisser, die via Funk, Fernsehen und Masseneinheitsbreiblättern ihre Heilsbotschaften verkünden und all jene, die ihnen nicht bedingungslos glauben und folgen, mit ewiger Verdammnis drohen und sie nebenbei gleich auch noch als Aluhut tragende Idiot:innen verunglimpfen.

Von allwissenden Kommentatoren

Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: Hier ist nicht die Rede von den vielen Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen, die unter enormem Zeitdruck und mit riesigen Anstrengungen den Wissensstand zu dieser seuchenartigen Geisel der Menschheit stetig vorantreiben. Die auch mal ein „Das lässt sich jetzt noch nicht vorhersagen“ oder „Das kann man jetzt noch nicht mit Bestimmtheit behaupten“ einstreuen, wohl wissend, dass sich die Wissenschaft ganz besonders auch in diesem Fall anhand permanenter Verifizierung, Adaptierung oder auch Falsifikation weiterentwickelt. Hier soll vielmehr die Rede sein von den allwissenden Kommentatoren, die sich nicht nur, aber ganz besonders auch unser Vorarlberger Medienhaus-Flaggschiff zur Beglückung unterschiedlicher Biotope innerhalb ihrer Leserschaft hält: von Ex-Politikern jeglicher Couleur über Alt-ORF-Adel bis hin zur psychiatrischen Lichtgestalt erstreckt sich dieser Tage die breite Palette an Fachleuten", die Impfskeptiker:innen und -unwilligen die Leviten lesen sollen.

Übergriffige Penetranz

Dieser Aufgabe kommen sie mit missionarischem Eifer und aufdringlicher Alleswisserei nach und vertiefen damit permanent den ohnehin schon stets tiefer werdenden Graben zwischen den Fronten. Mit ihren von Eitelkeit gegenüber den Unwissenden" geprägten Frontalangriffen werden sie ganz sicher niemanden vor die Spritze locken. Im Gegenteil, diese übergriffige Penetranz führt nur zu weiteren Verhärtungen bei den durch den in den Raum gestellten Impfzwang ohnehin schon aufgebrachten Skeptiker:innen. Und um die geht es ja, denn bei den Anhänger:innen irgendwelcher abstruser Verschwörungstheorien, bei Rechtsextremisten oder bei den Kickl/Belakowitsch-Gläubigen ist ohnehin Hopfen und Malz verloren. Sollen die doch Pferdeentwurmungsmittel einwerfen bis zur Ekstase – zumindest solange sich nicht „Vier Pfoten“ über Mangelprobleme im eigentlichen Pferde-Business beschwert oder dadurch Spitalsbetten belegt werden, kann man soviel Blödheit auch mit einem Achselzucken quittieren.

... also kein Grund zur Überheblichkeit

Aber, liebe Klugmänner und -frauen des Russ-Imperiums: eine außerordentliche Zunahme von Intelligenz oder Wissen ist als Nebenwirkung des zweimaligen Stiches in den Arm wissenschaftlich nicht belegt. BioNtech-Pfizer, Moderna oder AstraZeneca in den Adern zu haben, ist kein Grund zur eitlen Selbstgefälligkeit. Man ist dann zwar geimpft, aber nicht unbedingt automatisch auch schon klüger als Nichtgeimpfte. Und man kann weiterhin aktiv am Seuchengeschehen beteiligt sein, denn selbst der deutsche Chef-Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité meinte angesichts der 4. Welle: „Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften. Wir haben eine Pandemie, zu der alle beitragen – auch die Geimpften, wenn auch etwas weniger.“ Also kein Grund zur Überheblichkeit. Und wer positive Beispiele für gelungenes Wording sucht, wenn es darum geht, die Grabentiefe zwischen den Fronten zu verringern, darf sich ruhig einmal die letzten Reden unseres Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zu Gemüte führen. Er bewährt sich nicht nur angesichts der zahlreichen Regierungsumbildungen zunehmend als Fels in der Brandung.