Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Mirjam Steinbock · 25. Aug 2016 · Gesellschaft

Heidelbeerlese auf der Brandalpe – Der erste kulturhistorische Alpgang des Walserherbstes verführt mit 700-jähriger Geschichte, Damülser Stolz und Wiener Liedern

Der Blick auf Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges wird beim Walserherbst groß geschrieben. Damit das Festivalthema „WeitSicht“ in den Kulturräumen des Großen Walsertals auch körperlich erobert werden kann, integrierte Dietmar Nigsch eine feine Auswahl an Alpgängen in das Programm. Der Festivalleiter - in jungen Jahren selbst oft bei den Großeltern auf der Alp - weiß, dass gut geführte Wanderungen den Braten noch nicht fett machen. Er lässt neben dem gemütlichen Gang durch bereits herbstlich wirkende Feuchtwiesen auch die herzliche Gastfreundschaft, bildreiche Geschichten um das Leben in den Bergen, gutes Essen und Trinken, zünftige Musik und Gesang einfließen. All das, was den besonderen Reiz des Alplebens ausmacht.

Ein so großer Andrang wurde von Veranstalterseite wohl nicht erwartet: Vierzig Mitwandernde ließen sich vom Regen nicht abhalten und folgten der spannend geschriebenen Einladung zum Besuch auf die Brandalpe in Damüls, dem ersten Siedlungsgebiet der Walser auf 1650 Metern. Von der Bergstation des Uga-Express ausgehend, führt ein gut gangbarer Weg Richtung Brandalpe. Vorbei an Heidekraut, Alpenrosen und derzeit reich tragenden Heidelbeersträuchern. Die Natur rund um die Alpe ist abwechslungsreich, ein Moorgebiet mit Tümpeln, Hirsch-Suhlen, schmalen Pfaden durch Felsformationen, kurzen steilen Abhängen sowie flachen und leicht geneigten Weiden. Botanisch äußerst vielfältig und zum Laufen ideal, stellen Weiden wie diese für die Alpbewirtschaftung eine Herausforderung dar. Vor allem Kühe und Rinder weiden hier sehr selektiv, suchen sich das beste Gras heraus, meiden aber Borstgräser und Sträucher. Nicht die einzige Problematik, mit der sich die drei Eigentümer der Brandalpe seit einigen Jahren beschäftigen.

Ein hohes Maß an Eigeninitiative


Der Erhalt dieser geschichtsträchtigen Alpe ist beschwerlich. Walter Bertsch, einer der insgesamt drei Eigner, engagiert sich seit einigen Jahren für den Fortbestand sowohl der Alphütten, Ställe und Heubargen als auch der umliegenden Flächen. Gemeinsam mit seinem mittlerweile 86-jährigen Vater, Hermann Bertsch, bestößt er die Alpe im Sommer mit knapp dreißig Rindern und sorgt mit etlichen Pflegemaßnahmen dafür, dass sich die Natur das Gebiet nicht zurückerobert. Dazu gehören z.B. das Schwenden, also das Entfernen von Bäumen und Sträuchern, sowie das Zusammenlesen von Steinen. Neben dem sogenannten Weidemanagement sind auch Sanierungsarbeiten der mehrere Jahrhunderte alten Alpgebäude notwendig. Um eine umfassende und schonende Erhaltung des Kulturgutes bedacht, suchte sich Walter Bertsch Unterstützung. Er fand sie beim Heimatpflegeverein Großes Walsertal und speziell in Dr. Leo Walser, der mit seiner langjährigen Erfahrung und Tätigkeit beim Heimatschutzverein Montafon ein umfangreiches Sanierungskonzept mit guten Finanzierungsperspektiven erstellte. Sowohl Leo Walser als auch Walter Bertsch führen die Wandernden dieses Alpgangs mit geschichtlichem Hintergrundwissen zum Wesentlichen der Alpwirtschaft, die neben aller Romantik den bewussten und fachkundigen Umgang mit der Natur und den Gebäuden und ein hohes Maß an Eigeninitiative erfordert.

Chancen und Risiken eines Fahrweges


Dass sich drei Eigentümer manche Gebäude teilen, macht die Sache nicht einfacher. Othmar Bischof, der die Wanderung begleitet, ist ein Miteigentümer. Er übernahm seinen Anteil der Alp vor einiger Zeit von seinem Vater. Zwar betreibt er selbst keine Landwirtschaft, misst dem Erhalt dieses geschichtsträchtigen Kulturraums aber ebenso viel Bedeutung bei wie Walter Bertsch. Seine Alphütte und auch der Stall gehören zu den Objekten, die dringend saniert werden müssten. Ohne Zufahrtsweg sei dies seiner Meinung nach aber nicht zu bewerkstelligen. Walter Bertsch richtete seine eigenen acht Gebäude in mühevoller Arbeit wieder her und sicherte zwei Hütten, einen Stall und drei Heubargen vor dem Verfall. Auch er musste sich behelfen ohne einen Fahrweg, der zwar die Zufahrt und Erhaltung ermöglichen würde, jedoch auch mehr Betrieb auf die so beschauliche Alpe bringen könnte.

Das Zentrum von einst


Fraglich ist jedenfalls, ob eine Zufahrt nicht auch das Wesen der Brandalpe verändern würde. Man fühlt sich hier etwas wie aus der Zeit gefallen und wird ruhiger und achtsamer. Es scheint diesem Fleckchen Erde noch der Besiedelungsakt von einst anzuhängen. Die erste Kirche in Holzbau soll hier gestanden haben; so ist es jedenfalls auf der Infotafel bei der Pfarrkirche Damüls vermerkt. Das Gefühl von einem Zentrum ist hier allgegenwärtig. Vor der Alphütte, die sich laut Leo Walser gut als Schauobjekt für geführte Wanderungen nutzen ließe, labt man sich mit selbst gebackenem Brot, einem Meisterwurz-Brand und Käse, der zu diesem Anlass liebevoll als Damülser Stolz bezeichnet wird. Die Musiker Bohatsch & Skrepek mit ihren typisch raunzigen Wiener Liedern fragen sich vorab, ob ihr Spiel wohl auch in den Bergen funktioniere. Das tut es, die beiden Musiker verstehen es bestens, sich auf ihre Umgebung einzulassen. Aber vielleicht lässt sich auch die Brandalpe ein und hüllt - um des Weiterlebens willen - sich und ihre Gäste in klangvolle Melodien und sagenhafte Geschichten.

 

Die nächsten kulturhistorischen Alpgänge:
Freitag, 26.08.16 auf die Grenzsteinmauer Ifersgunt
Donnerstag, 08.09.16 auf den Walser Alpen Hochweg
www.walserherbst.at