Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 28. Apr 2016 · Gesellschaft

Bildmacht des Fernsehens gegen Bildmacht der Kunst - Verhältnis zwischen Massenmedium Fernsehen und der Kunst unter der Lupe im Kunstmuseum Liechtenstein

Unter dem Titel „Lens-Based Sculpture“ untersuchte das Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz bereits vor zwei Jahren den Einfluss der Fotografie auf die Skulptur. Mit „TeleGen“ nimmt nun das Haus „im Städtle“ derzeit erneut das Verhältnis zwischen einem Massenmedium, nämlich dem Fernsehen, und der Kunst unter die Lupe. Im Vordergrund steht dabei nicht die Aufarbeitung des Fernsehens als Motiv der Kunst, sondern die künstlerische Auseinandersetzung mit den spezifischen Inhalten und bildkulturellen Prägungen, die das Medium Fernsehen entwickelt hat. Also den Niederschlag des Televisuellen in den verschiedenen Kunstgattungen.

Die Kunstschaffenden galten immer schon als Seismographen, die auf neue gesellschaftliche, ökonomische und technische Entwicklungen auf unterschiedlichste Art reagieren. Logisch, dass auch das Fernsehen, das zu den wichtigsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts zählt und als erstes visuelles Massenmedium eine ganz eigene Bildästhetik und neue Kommunikationsstrukturen geprägt hat, die Kreativen von Beginn an auf den Plan gerufen hat. In der Ausstellung „TeleGen“, die vom Kunstmuseum Bonn übernommen wurde und von Dieter Daniel kuratiert wird, begegnet man gleichsam dem Who-is-Who der neuesten Kunstgeschichte. Werke von „Klassikern“ wie John Cage, Paul Thek, Dennis Hopper, Tom Wesselmann und Nam June Paik sind genauso darunter wie von Thomas Demand, Harun Farocki, Tobias Rehberger, Christoph Schlingensief oder Angela Bulloch.

Der Einstieg in die Ausstellung beginnt fulminant mit einem Beitrag von Bruce Conner. Sein „Report“ aus dem Jahre 1967 nimmt verschiedene Schnittstile sowie das Fernsehen als Ereigniskultur früh vorweg. Connor zeigt stakkatoartig, wie sich der Wagentross von J.F. Kennedy bei seinem Wahlkampf in Dallas, Texas, durch die Straßen bewegt. Er baut mit Bild und Ton Spannungen auf, blendet aber die Ermordung Kennedys vor laufende Kamera aus. Er setzt sich in erster Linie stilistisch in Schnipseltechnik mit der Berichterstattung über das Attentat auseinander.

Mit Torten und Schnitzel gegen die Flimmerkisten


In diesem ersten, dem historischen Teil der Ausstellung, ist auch zu sehen, wie der Aktionskünstler Wolf Vostell dem Fernsehen zu Leibe rückte. So ist etwa mit „TV-Burying“ dokumentiert, wie Vostell 1963 in South Brunswick einen Fernseher mit Torte bewarf, mit Schnitzeln dekorierte, mit Stacheldraht umwickelte und vergrub – bei laufendem Programm.

Von Nam June Paik, der in den 1960er-Jahren Fernsehgeräte als Skulpturen und Installationen inszinierte, ist unter anderem die Arbeit "Sound Wave Input On Two TV Sets" mit dabei. Die Geräte sind aufeinandergestapelt. Ein Bildschirm zeigt vertikale, der andere horizontale Linien, die durch Schallwellen aus Rundfunkgeräten ausgelöst werden.

Wahrnehmen, was geschieht


Gingen Künstler wie etwa Günther Uecker mit seinen Vernaglungen oder Vostell mit seinen Decollagen ziemlich rabiat gegen die Kisten vor, die die Massen in eine passive Rolle versetzten, so geht es heutigen Künstlern vor allem um die Frage, was eigentlich im Fernsehen abläuft und wie wir dies wahrnehmen. Hier steht nicht mehr das TV als technisches Vehikel zur Massenmedialität im Vordergrund, sondern das Fernsehen als Denkraum und gesellschaftlicher Sinnstifter.

Dessen ungeachtet sind die neueren Beiträge im zweiten Teil der Ausstellung nicht weniger medien- und gesellschaftskritisch als die älteren. Von dem 2014 verstorbenen Harun Farocki etwa, den auch das KUB in einer großen Personale gezeigt hat, ist in Vaduz der selten gezeigte Film „Ein Tag im Leben der Endverbraucher“ von 1993 zu bestaunen. Darin gerät Werbung, die eigentlich häufig den Hauptsendungen zwischengestreut wird, in ihrer den Tageslauf nachzeichnenden Anordnung beinahe zu eigener Handlung. Farocki hält wie immer ebenso kunstvoll präzise wie unprätentiös der Gesellschaft den Spiegel vor.

Das Künstlerduo M+M (Martin De Mattia/ Marc Weiss) wiederum hat übers Eck zwei Wände mit selber gestalteten fiktiven Zeitungsseiten, die mit Bild- und Textmaterial politisch signifikanter Reden der letzten Jahre – etwa von Putin, Bush oder Hussein - gefüllt wurden, tapeziert. Darüber angebrachte Aluminiumpaneele gliedern Nachrichtenbeiträge in Filmstills auf. Die in der Wandinstallation „In front“ erstellten Querbezüge zwischen verschiedenen medialen Ereignissen legen nicht zuletzt auf subtile Weise die Gestaltung und den Anspruch der Medienhäuser auf Einflussnahme auf das Weltgeschehen offen.

Im Raum „Talk Talk Talk“ kann man anhand von sieben der insgesamt acht produzierten Folgen nacherleben, wie Christoph Schlingensief Ende der 1990er-Jahre selbst als Moderator in Talk-Shows Berühmtheiten wie Harald Schmidt, Hildegard Knef und andere interviewt, und wie er gerade durch eigenes Scheitern und gelegentlich unsäglich abstoßenden Entäußerungen seines Gegenübers „die Mechanismen in seiner Persiflage auf die Talkkultur bloßstellt“. Als Folge entstehen immer wieder an Peinlichkeiten kaum zu überbietende Sendungen.

Das bis in tiefe private Schichten vordringende Phänomen Fernsehen entlarvt auch der 1981 geborene deutsche Künstler Stefan Hurtig mit seinem Beitrag „Challenge (Leider kein Foto)“ (2012-2014). Hurtig nimmt damit Heidi Klums Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ ins Visier. In dem Moment, in welchem Klum den oft verwendeten Kommentar „Ich habe leider heute kein Foto für dich“ ausspricht, zerplatzen Modelträume. Hurtigs Installation zeigt, wie rote Lippen auf einem Monitor unaufhörlich diesen einen Satz formen. Der in Ketten gelegte Bildschirm dreht sich über einer schwarz polierten Bühne um sich selbst und versinnbildlicht, dass das Fernsehen, um erfolgreich zu sein, in seinen eigenen Strukturen gefangen bleibt.

Kurator Dieter Daniels resümiert über das Fernsehen, das heute zusehends von Internet-Formaten wie etwa Streaming Portale oder Social Media Plattformen konkurrenziert wird: "Ich glaube, dass es von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute eigentlich eine ungebrochene Macht hat und das ist es eigentlich, was mich am Fernsehen fasziniert: Diese erstaunliche Veränderung des Umgangs mit Bildern, die die seltsame Intimität und zugleich Neutralität erzeugt hat, von der wir bis heute, glaube ich, immer noch nicht wissen, was wir davon halten sollen." Dennoch wirkt die Ausstellung wie eine Art Nachruf auf ein Medium, das es in der bis heute bekannten Form bald nicht mehr geben wird.

 

TeleGen
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
Bis 16.5.2016
12.5., 20 Uhr: Filmclub: „Das Millionenspiel“ von Tom Toelle
Di-So 10-17, Do 10-20
www.kunstmuseum.li