L-E-V Dance Company mit „Into the Hairy“ beim Bregenzer Frühling (Foto: Katerina Jezz/L-E-V Dance/Bregenzer Frühling)
Michael Löbl · 20. Okt 2023 · Musik

Gelungener Auftakt von Dornbirn Klassik

Der Cellist und Dirigent Nicolas Altstaedt und die Haydn Philharmonie aus Eisenstadt eröffneten am Mittwochabend im Kulturhaus den Zyklus Dornbirn Klassik mit Werken ihres Namenspatrons sowie Solokonzerten für Violoncello von Peter Iljitsch Tschaikowsky und Camille Saint-Saëns.

Ursprünglich wäre ja statt der Rokoko-Variationen von P.I. Tschaikowsky ein anderes Stück geplant gewesen, nämlich das Cellokonzert des georgischen Komponisten Vaja Azarashvili. Dieses interessante Werk aus dem Jahr 1969 war an einem der Aufführungsorte aber nicht erwünscht.

Aus unerfindlichen Gründen missfiel dem Bürgermeister von Wels in Oberösterreich die Programmauswahl und so musste das Stück des 87-jährigen Vaja Azarashvili für diese Tournee gegen eines von Tschaikowsky ausgetauscht werden. Man kann nur hoffen, dass man dem Komponisten plausibel erklären konnte, warum sein Cellokonzert, das übrigens weltweit gespielt wird und auch auf CD erschienen ist, von einem Bürgermeister im Musikland Österreich aus dem Programm genommen wurde. Aus dieser Umstellung ergab sich dann ein etwas seltsames Programm mit der Ouvertüre zu „L’isola disabitata“ von Joseph Haydn, Tschaikowskys Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester op. 33, dem Ersten Cellokonzert von Camille Saint-Saëns (ebenfalls op. 33!) und Haydns Symphonie Nr. 103.

Durch Haydn Grenzen überwinden

Die Haydn Philharmonie wurde 1987 in Eisenstadt unter dem Namen Österreichisch-Ungarische Haydn Philharmonie auf Initiative des ungarischen Dirigenten Adam Fischer gegründet. Die ersten Mitglieder waren Musiker der Wiener Philharmoniker und Musiker:innen der großen ungarischen Orchester. Fischers Anliegen war es, ausgewählte Musiker:innen dieser beiden Staaten in Zeiten des Eisernen Vorhangs zusammenzuführen. Mit Aufführungen der Werke Joseph Haydns in den historischen Sälen der Esterházy-Schlösser in Ungarn und Österreich, für die Haydn den Großteil seiner Werke komponiert hatte, wollte man diese Grenze überwinden. Ein Höhepunkt der Orchestergeschichte ist zweifellos die Gesamtaufnahme aller 104 Haydn-Symphonien unter Adam Fischer für das Label Nimbus, die weltweit Beachtung fand.

Aus dem Ärmel geschüttelt

Der deutsch-französische Cellist Nicolas Altstaedt ist ein vielbeschäftigter Musiker, der seit über zehn Jahren viel Zeit im Burgenland verbringt. 2012 wurde er von Gidon Kremer auserkoren, als sein Nachfolger die Leitung des Kammermusikfestes Lockenhaus zu übernehmen. Zwei Jahre später vertraute ihm Adam Fischer „sein“ Orchester an, die Haydn Philharmonie, die er bis heute leitet. Daneben ist er weltweit als Solist unterwegs und hat eine Professur an der Hanns-Eisler Musikhochschule in Berlin. Er ist ein großartiger Cellist mit wunderbar seidigem Ton in den höheren Lagen, satter Tiefe und einer brillanten Technik, die es ihm erlaubt, auch schwierigste Passagen mal so einfach aus dem Ärmel zu schütteln. Und von diesen Passagen gab es – vor allem im Tschaikowsky – einige. Altstaedt spielte die ungewohnte und selten aufgeführte Urfassung, dadurch konnte man einmal hören, was der Widmungsträger Wilhelm Fitzenhagen in Tschaikowskys Partitur alles verändert hatte. Welche Version jetzt die bessere ist? Reine Geschmackssache … Schon bei Tschaikowsky fiel eine gewisse Ungeduld im Spiel des Solisten auf, bei Saint- Saëns wurde sie zur Gewissheit. Die wunderbar ruhig-meditative Stimmung des zweiten Satzes, die einen willkommenen Kontrast zu den virtuosen Ecksätzen bildet, wollte sich nicht wirklich einstellen. So wird das Konzert zu einer schnell vorbeihuschenden Virtuosennummer, dabei hätte es mehr Inhalt und Tiefe zu bieten. Und man versteht, warum sich irgendwann im Laufe der Musikgeschichte der Beruf des Dirigenten entwickelt hat. Bei der Koordination eines Konzertes von Saint- Saëns kommen auch ein eingespieltes Team wie die Haydn Philharmonie mit ihrem Leiter im Play-and-Conduct-Modus an ihre Grenzen.

Historisch informiert

Wie bei der einleitenden Ouvertüre fühlt sich das Orchester bei der abschließenden Haydn-Symphonie Nr. 103 sichtlich zu Hause. Gemeinsam mit Nicolas Altstaedt präsentieren sie Haydn historisch informiert aber durchaus einer philharmonischen Tradition verpflichtet. Großteils werden moderne Instrumente verwendet, Hörner, Trompeten und Pauken allerdings sind historisch. Die Streicher spielen mit dezentem Vibrato, wenn es musikalisch Sinn macht aber durchaus auch mal ohne. Die Tempi sind spritzig und Nicolas Altstaedt gelingt eine perfekte Mischung aus Ernsthaftigkeit und lockerem Humor. Beides ist ja in Haydns Musik gleichberechtigt vorhanden. Da das Orchester stehend spielt, ist es schwierig bis unmöglich die Solisten für einen Sonderapplaus aufstehen zu lassen. Verdient hätten es der Konzertmeister und die hervorragenden Solobläser inklusive Pauke auf jeden Fall.

www.dornbirn.at/leben-in-dornbirn/leben/kultur/dornbirn-klassik-2023-24
www.haydnphil.com
www.nicolas-altstaedt.com