Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 14. Okt 2022 · Film

Triangle of Sadness

Ruben Östlund lässt auf einer Yacht eine Gruppe von Superreichen in Seenot geraten. Mit Zynismus als humoristischem Mittel werden die Millionäre aber nur vorübergehend entthront.

Das alte Ehepaar, das durch die Waffenproduktion reich geworden ist, steht an der Reling  des Luxusschiffes, als die Frau etwas zu ihren Füßen bemerkt. Eine Handgranate ist, woher auch immer, angerollt. Das ist ja eine von uns, sagt der Mann fast erfreut. Danach wechselt das Bild in die Totale auf das Schiff, die Szene geht für das Paar nicht gut aus. In vielen Passagen erinnert „Triangle of Sadness“ an Monty Pythons „tödlichen Witz“. Sobald jemand diesen Witz erzählt bekommt, verfällt er in ein herzhaftes Lachen und verstirbt unmittelbar darauf. Ruben Östlund versteht sich wie wenige andere Regisseure des zeitgenössischen Kinos darauf, mit seinen Filmen gesellschaftliche Aporien herzustellen. Egal ob in „Play“, „Höhere Gewalt“ oder „The Square“, Östlund ist ein Meister darin, Situationen zu konstruieren, die das Publikum unweigerlich in ein ethisches Dilemma werfen. Mit seinem jüngsten Film, dem Palme d’Or-Gewinner „Triangle of Sadness“ ist das ein bisschen anders. Der schwedische Regisseur hat eine Gesellschaftssatire entworfen, in der statt des Abwägens ambivalenter Situationen ein derber Witz die Perspektive bestimmt. „Triangle of Sadness“ ist eine Groteske, die sich zwischen Karl Marx-Zitaten und Dekadenz einen überbordenden Spaß erlaubt.

Die Reichen als Luxusproblem

Zwar beginnt der Film gewohnt „edgy“, als ein junges Paar – sie ist Influencerin, er Model – in Streit darüber gerät, ob er oder sie im Lokal zahlen soll. Dahinter jedoch verbirgt sich die Frage, ob er damit klarkommt, dass sie deutlich mehr verdient. Es geht um Ehre, Klasse, Männlichkeit und die Frage, wer seine Sichtweise durchsetzt. Östlund nimmt sich für diese intime Eskalation 20 Minuten Zeit, um eine Expositur für das Folgende zu schaffen. Das Paar findet sich auf Einladung der Influencerin auf einer Schiffsreise wieder, an der eine Handvoll Superreicher teilnimmt. Östlund entwickelt eine große Freude dabei, die einzelnen Figuren mit Extravaganz und recht spleenig als Teil einer seltsamen Gattung darzustellen. Die Schiffsgesellschaft hat nicht viel gemein, außer dass sie ihrem dekadenten Lebensstil, Austern schlürfend und Kaviar löffelnd, sogleich selbst zum Opfer fällt. Ein Virus dürfte sich im „Seafood“ eingeschlichen haben, schon bald kotzt die illustre Runde um die Wette – während die Schiffscrew dezent im Hintergrund weiterarbeitet. Besonders diffizil fällt Östlunds Bewertung dieser geschlossenen Gesellschaft diesmal aber nicht aus. Das Narrativ beschränkt sich darauf, Lifestyle und Abgehobenheit aufs Korn zu nehmen und das alles mit viel bösem Witz zu garnieren. Fad wird einem dabei garantiert nicht. Die Gruppe landet später auf einer Insel ohne Wasser und Nahrung, auf der dennoch keiner der Millionäre seinen Arsch hochkriegt. In diesem dritten Teil des Films ändert Östlund die Regeln und katapultiert die philippinische Toilettenfrau durch ihre Skills (Fische fangen, Feuer machen) in der sozialen Hierarchie ganz nach oben. Neue Abhängigkeiten regulieren vorübergehend die Hierarchien. Ein nettes Gedankenspiel, bei dessen Inszenierung Östlund jedoch in keinen bedrohlichen oder existenziellen Tonfall wechselt – wohl um das Selbstverständnis der Reichen deutlich zu machen, dass die Insel als kurze Phase der Unbilden sicher bald vorüber sei. Als Erzähler positioniert sich Östlund diesmal als wahrer Zyniker, vielleicht aus der Überlegung, dass sich über die Reichen gar nicht anders erzählen lässt. Wie heißt es in einem der vielen süffisant vorgebrachten Zitate im Film? „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit denen wir sie aufhängen.“ Die Frage, wer hier, 30 Jahre nach der Wende spricht, wird im Film als Parodie aus der Vergangenheit eingelöst: ein wankender Schiffskapitän, der sich trotzig als Marxist ausgibt, aber längst die Orientierung verloren hat.