"Mit einem Tiger schlafen": Anja Salomonowitz‘ Spielfilm über die Künstlerin Maria Lassnig derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: Stadtkino Wien Filmverleih)
Gunnar Landsgesell · 02. Sep 2022 · Film

Three Thousand Years of Longing

George Miller, der einst „Mad Max“ auf die Leinwand brachte, lässt in seinem jüngsten Film eine schrullige Literaturwissenschaftlerin (Tilda Swinton) in einem Hotelzimmer in Istanbul auf einen Dschinn (Idris Elba) treffen. Der erweist sich als männliche Scheherazade in einem kuriosen Mashup zwischen Märchen, Abenteuer und abgerissenem Psychogramm.

Diese Geschichte entspricht der Wahrheit, aber Sie werden sie eher glauben, wenn ich sie als Märchen erzähle. Tilda Swinton, für gewöhnlich auf extravagante Rollen spezialisiert, spielt in dieser recht kruden Mischung aus Fantasy, Märchen und Orientabenteuer die verschrobene Literaturwissenschaftlerin Alithea Binnie, der die Fantasie manchmal Streiche spielt. Auf einer Reise nach Istanbul erscheinen ihr plötzlich Geister. Man könnte angesichts der folgenden Episoden auch sagen, die Geister des Orients, die in den Klischees der Europäer bislang gut überdauert haben. Der kleine Kobold am Flughafen, der Binnies Kofferwagen zu krallen versucht, irritiert sie noch. Der überdimensionierte schwarze Mann im Hotelzimmer, dessen Zehen zu Beginn den ganzen Türrahmen ausfüllen und dessen massiger Rücken sich urplötzlich wie ein fleischiges Gebirge vor Swintons Blick ausbreitet, gefällt ihr schon bald. Idris Elba schrumpft sich dann aber auf eine zimmerkompatible Größe – als Dschinn kann er das.

Mit lockerer Hand inszeniert

Damit wäre aber auch ein interessanter Erzählrahmen abgesteckt: einsame weiße Frau trifft nicht minder einsamen – weil Flaschengeist nach langer Gefangenschaft – schwarzen Mann. Das vorsichtige Interesse zwischen beiden, sie im Schlafmantel, er aufgrund historischer Umstände recht minimalistisch gekleidet, fühlt sich gleichermaßen deplatziert wie auch spannungsreich an. Swinton und Elba – er ist ein ausgebildeter britischer Theaterschauspieler, auch wenn man ihn eher aus Actionformaten kennt – bringen für diese kuriose Begegnung viel an Potenzial mit. Regisseur George Miller (bekannt für den Cyberpunk-Klassiker „Mad Max“, für die nicht geschmackssicheren „Hexen von Eastwick“ und die putzige Komödie „Ein Schweinchen namens Babe“) entscheidet sich aber dafür, die titelgebenden „Three Thousand Years of Longing“, also die 3.000 Jahre Sehnsucht noch etwas aufzuschieben – und stattdessen mehrmals episodisch arabische und christliche Mythen zu streifen. Mit lockerer Hand inszeniert Miller ein paar deftige Einblicke in Paläste, Harems und blutrünstige Herrscher wie den osmanischen Sultan Murad. Das wirkt recht klischeehaft und erinnert an die Erzählweise von Fernsehepisoden, ist aber letztlich auch eine Ablenkung davon, was sich in diesem Hotelzimmer in Istanbul zuträgt. Denn die Frage, ob sich die Figur von Tilda Swinton einen Begleiter für einsame Tage in einem Istanbuler Hotelzimmer herbei fabuliert hat, womit man Richtung Psychogramm gehen würde, oder ob sie Teil einer echten Geistergeschichte wird, generiert Interesse. Der Pfad bleibt aber leider schmal. Eine gewisse Ironie hat man hingegen für den Dschinn vorbereitet. Die Figur, die historisch entweder als Dämon gefürchtet wird, oder auch als Glücksbringer gesehen wird, wenn sie als Dank für ihre Befreiung drei Wünsche erfüllt, ist in Millers Film ein wenig im Dilemma. Es ist gerade die Figur von Idris Elba, die Swinton um die Wünsche anbettelt, während diese keinerlei Interesse zu haben scheint. Vielmehr scheint ihr Wunsch, der Einsamkeit ein Schnippchen zu schlagen, schon erfüllt. Damit wäre man dann trotz aller orientalischer Ausflüge bei der im Titel angesprochenen Sehnsucht ganz gut angekommen.