Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 19. Dez 2010 · Film

The Tourist

Mit seinem Spielfilmdebüt „Das Leben der Anderen“ gelang Florian Henckel von Donnersmarck ein Welterfolg. Dem Ruf Hollywoods folgte der Deutsche nur allzu gerne, doch seine Gaunerkomödie "The Tourist" ist trotz Hochglanzbildern nur ein müder Abklatsch prickelnder Filmperlen wie Alfred Hitchcocks „Über den Dächern von Nizza“. Das liegt nicht zuletzt an Angelina Jolie und Johnny Depp, zwischen denen es nie funkt und knistert.

Wendungsreich wie die Filmhandlung war schon die Produktionsgeschichte von „The Tourist“. Florian Henckel von Donnersmarck war nicht die erste Wahl, sondern Lasse Hallström sollte zunächst Regie führen. Als dieser aus Termingründen absagte, bestand Hauptdarstellerin Angelina Jolie auf Donnersmarck, der sprang aber wieder ab als er mit dem männlichen Hauptdarsteller Sam Worthington nicht zurecht kam. Als Worthington, der nur durch eine Absage von Tom Cruise ins Spiel gekommen war, ebenfalls das Handtuch warf, stieg Donnersmarck wieder ein und den Part von Cruise/Worthington übernahm Johnny Depp.

Remake und Spiel mit "Das Leben der Anderen"

Überraschend mag sein, dass der Deutsche gleich mit seinem ersten Hollywood-Film keinen neuen Stoff verfilmte, sondern ein Remake drehte. Weitgehend unbekannt ist freilich der 2005 in Frankreich gedrehte „Anthony Zimmer“, sodass eine Neuverfilmung die Möglichkeit bot die Geschichte ganz neu zu interpretieren und anzulegen.
Mit der Eröffnungsszene spielt Donnersmarck denn auch auf „Das Leben der Anderen“ an:  Wenn Polizisten in Paris von ihrem Lieferwagen aus per Video eine Frau überwachen, weckt das Erinnerungen an das oscargekrönte Stasi-Drama. Statt wie dort Spannung und Beklemmung zu erzeugen, bricht Donnersmarck die Szene aber sogleich ins Oberflächliche und Voyeuristische, wenn sich die Kamera – wie die Polizisten – mehr für Angelina Jolies Hintern, ihren Gang und ihre elegante Kleidung interessiert als für die Überwachungssituation.
In einem Café wird diese Elise Ward von einem Wirtschaftskriminellen, hinter dem die Polizei eigentlich her ist, den Auftrag erhalten im Zug nach Venedig sich an einen Unbekannten ran zu machen, um die Polizei so auf die falsche Spur zu locken. Während Interpol das Spiel bald durchschaut, hält ein russischer Mafioso den Unbekannten wirklich für den Kriminellen, der auch ihn reingelegt hat, und beginnt mit seinen Helfern nun seinerseits die Überwachung und Verfolgung.

Pure Oberfläche statt Charme, Flair und Esprit

Eine Zugbekanntschaft mit weit reichenden Folgen kennt man aus Hitchcocks „Strangers on a Train“ und „North by Northwest“. Am letzteren orientiert sich Donnersmarck ebenso wie an Stanley Donens „Charade“. Wie Steven Soderbergh mit „Ocean´s Eleven“ will der Deutsche das klassische Hollywoodkino wieder aufleben lassen, will eine spritzige und verwickelte Gaunerkomödie vorlegen.
Elegant ist zweifellos die Oberfläche. Exzessiv rückt Donnersmarck die Sehenswürdigkeiten und den morbiden Charme von Venedig sowie die eleganten Roben Jolies, die teilweise wie auf dem Laufsteg durch den Film stolziert, ins Bild, interessiert sich aber kaum für die Entwicklung der Handlung. Vielmehr scheint diese wie in einem Werbefilm nur Anlass für die Moden- und Sehenswürdigkeitenschau.
Auch aus Szenen, die von der Ausgangssituation her viel bieten könnten, wie eine Verfolgung über die Dächer von Venedig oder mit Motorbooten durch die Kanäle, holt Donnersmarck sehr wenig heraus und bestenfalls ein müdes Lächeln rufen die Sprachprobleme Johnny Depps hervor, wenn er statt mit „Bon giorno“ mit „Bon Jovi“ grüßt oder dem italienischen Hotelpersonal mit spanischen Wortfetzen antwortet. Nie kann sich der 37-jährige deutsche Regisseur entscheiden, ob er „The Tourist“ als Spannungskino oder als Komödie anlegen will und schwankt unentschieden zwischen diesen Polen. In einer geschickten Balance wie sie beispielsweise Soderbergh bei „Ocean´s Eleven“ gelang, kann gerade so ein Mix viel Esprit und Coolness entwickeln, bei „The Tourist“ bleibts aber beim gezwungenen und nie echte Leichtigkeit entwickelnden Versuch.

Stars statt Charaktere

Zäh schleppt sich so die Handlung dahin und auch die beiden Hauptdarsteller ziehen den Zuschauer nicht ins Geschehen hinein. Routiniert spielt Jolie zwar die souveräne und abgebrühte Frau und Depp den naiven Amerikaner, doch lassen sie echte Spielfreude vermissen. Nie glaubt man ihnen, dass zwischen ihnen eine Anziehung besteht und es wirklich funkt. Zu wenig kümmert sich Donnersmarck um die Entwicklung von Charakteren, lässt Jolie und Depp einfach ihr Star-Image pflegen.
Ein leichtes Gegenstück zum schwergewichtigen „Das Leben der Anderen“, an den die vielen Überwachungsszenen in „The Tourist“ immer wieder denken lassen, mag Donnersmarck hier vorgeschwebt sein, doch letztlich ist sein Amerikadebüt so substanzlos geworden, dass nur noch die Oberfläche geblieben ist und sich jeglicher Inhalt verflüchtigt hat. Bei entsprechend raffinierter Aufbereitung des Nichts könnte man sich freilich immer noch zwei Stunden bestens unterhalten, so verkrampft und gezwungen, ohne Coolness, Lässigkeit und Souveränität bietet „The Tourist“ aber nur ein mattes Vergnügen.