Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 26. Jän 2012 · Film

The Descendants

Eine Komödie hat vor allem lustig zu sein. „The Descendants“ ist das auch, allerdings mit einem erstaunlichen Maß an Humanismus, der einen für diesen Film unwillkürlich Partei ergreifen lässt. So wie übrigens auch George Clooney, der als ungelenker Familienvater noch nie mit so verhaltener Komik auftrat wie unter der Regie von Alexander Payne.

Mal so mit einem kurzen Blick betrachtet, wirkt hier alles wie von der Stange: Der geschäftige Vater (George Clooney), der sich plötzlich um die Kinder kümmern muss, die Kinder, die tief in der Pubertät steckend zu schrillen Tönen neigen, Hawaii als pralle Kulisse und nicht zuletzt die Hawaii-Hemden, ohne die kein männlicher Protagonist in „The Descendants“ vor die Kamera treten darf. Wobei diese Hemden von solch ausgewählter Scheußlichkeit sind, dass sie wahrscheinlich doch eher Maßanfertigungen und nicht von der Stange sind. Der größte Clou von „The Descendants“ ist aber, dass er das ganze schön zusammen gesammelte Repertoire, aus dessen Vorzügen Tausende erfolgreicher Komödien geschneidert wurden, gar nicht ausspielt. Kein Slapstick, keine Katastrophen des Neo-Vaters in der Küche, auch keine zum Schreien komischen Wortduelle. „The Descendants“ bezieht seinen Humor und großartigen Unterhaltungswert aus relativ stillen Situationen.

Paradoxer Realismus...

Schon wenige Sekunden nach Filmbeginn fällt die Ehefrau durch einen Wasserski-Unfall ins Koma, um Clooney so bald wie möglich aus seiner Arbeit als Anwalt zu reißen, der nun im Schnelldurchgang seine beiden minderjährigen Töchter (Shailene Woodley, Amara Miller) erst richtig kennenlernen muss. Aber nicht nur das verlangt nach einem Krisenmanager. Da gibt es noch den etwas tumb wirkenden College-Boy als Freund einer seiner Töchter, den vorwurfsvollen Schwiegervater, dessen Auftritte an Vietnam-Veteranen erinnern, einen bislang unbekannten Rivalen, der vor dem Unfall der Ehefrau eine Affäre mit dieser hatte und zu alledem noch einen Haufen an Cousins, die – unter dem Vorsitz Clooneys – eine unberührte hawaiianische Bucht aus dem Familienbesitz zur touristischen Ausbeutung verhökern wollen. Es tut sich also immer was, und in vielen dieser Momente halten sich die komischen, unsicheren und traurigen Töne die Waage. Denn in einem geschickten Schachzug hat Autor und Regisseur Alexander Payne seiner Roman-Adaption (von Kaui Hart Hemmings) ein dichtes narratives Spielfeld gelassen, ohne dass er seine Figuren darauf allzu übertrieben herumtollen lässt. Daraus ergibt sich – trotz Clooney – ein paradoxer Realismus, der einen erst richtig für all diese Leute interessiert und einnimmt.

...und rarer Humanismus

Die Überlegung Paynes könnte sein, dass keine tragische Situation nach typisch filmischen Mustern zu tragisch werden darf und keine komische Situation mehr Humor beim Publikum einfordern soll als sie im richtigen Leben hervorrufen würde. Daraus ergibt sich ein verblüffender und im Kino eher selten zu findender (nahezu pathosfreier) Humanismus, den Payne schon in „About Schmidt“ mit Jack Nicholson als grumpy old man erzielen konnte. Nicholson zeigte sich damals als Schauspieler „schockierend“ alt und nackt und machte unter Paynes Regie geradezu den Eindruck, als würde in diesem Film der Privatmensch auftreten. So weit führt „The Descendants“ zwar nicht, weil George Clooney letztlich immer George Clooney ist, und dafür sicherlich auch gebucht wurde. Aber so still, so passiv und überfragt war dieser Clooney wohl auch noch nie zu sehen. Das gleiche gilt für Hawaii, das gänzlich untouristisch und nebelverhangen sein „wahres“ Gesicht zu zeigen scheint. So verwandelt sich hier eine äußerlich gesehen wenig originelle Story zu einer (im besten Sinn unkomödiantisch) vielschichtigen Betrachtung des Alltags, die einem viel an Sympathien entlockt und, ohne dass sie die Zwischentöne des Lebens nivellieren würde. Wann kann man das nach einem Kinobesuch schon sagen?