Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 18. Apr 2011 · Film

Ohne Limit

Als Mythos gilt es zwar, dass der Mensch nur einen Bruchteil des Potentials seines Gehirns nützt, doch auf dieser Prämisse baut Neil Burgers Thriller auf: Was wäre , wenn wir unser Gehirn statt zu 20 % zu 100 % nützen könnten, ist die Ausgangsfrage. Vom Loser lässt Burger so seinen Protagonisten Eddie Morra zum erfolgreichen Wall-Street-Spekulanten aufsteigen, doch negative Folgen sind abzusehen.

Auf der Terrasse vor seiner Penthouse-Wohnung auf einem New Yorker Wolkenkratzer steht Eddie Morra (Bradley Cooper). Hinter ihm versuchen die Verfolger die Tür aufzubrechen, vor und weit unter ihm liegen die Straßenschluchten. Die ganze Fall- oder auch Aufstiegshöhe seiner Karriere ist in diesem Bild gebündelt – und von diesem Endpunkt lässt Regisseur Neil Burger seinen Protagonisten zurückblicken. So kann er mit Voice-Over des Ich-Erzählers nicht nur die Handlung raffen und dynamisch vorantreiben, sondern auch den Zuschauer in dessen Perspektive versetzen und dessen sagenhaften Aufstieg hautnah miterleben lassen.

Rauschhafte Beschwörung intensiven Lebens

Von der Spitze des Wolkenkratzers taucht die Kamera zu treibender Musik in die Straßenschluchten ab, rast durch die Straßen, die bald in Gehirnwindungen übergehen, blickt schließlich vom Himmel auf einen Computerplan von New York, um dann auf einem Platz einen Eddie Morra früherer Tage zu erfassen: Keine Designeranzüge trägt dieser, sondern wirkt mit Dreitagebart und langem Haar wie ein drogensüchtiger Obdachloser. Einen Roman sollte er schreiben, doch kommt er keine Zeile weiter. Die verdreckte Wohnung spiegelt seine psychische Verfassung und schließlich gibt ihm auch noch seine Freundin Lindy (Abbie Cornish) den Laufpass.
Doch da läuft diesem Loser der Bruder seiner Ex-Frau über den Weg, lädt ihn ein und bietet ihm eine geheime Wunderpille an. Skeptisch ist Morra zunächst, testet NZT dann aber doch – und nichts ist mehr wie früher: Was er irgendwann mal aufgeschnappt hat, kann er nun im Gehirn aktivieren, schreibt in vier Tagen seinen Roman, lernt Klavierspielen und Sprachen im Vorbeigehen, begeistert seine Gesprächspartner mit seinem Wissen, führt dank schnell gewonnener reicher Freunde ein Luxusleben mit schnellen Autos und Traumurlauben.
So intensiv und dynamisch das Leben Morras verläuft, so rasend schnell ist „Ohne Limit“ in der Schilderung dieses Aufstiegs, vermittelt in leuchtenden Farben, atemberaubenden simulierten Zooms durch die Straßenschluchten von New York, eleganter Ausstattung und phantastischen Settings knapp und prägnant diesen sagenhaften Aufstieg und ein sorgenfreies Leben, bei dem sich natürlich schon die Frage stellt, wann der tiefe Fall kommen wird.

Böse Abrechnung mit Wall Street und Erfolgsstreben

Zunächst aber will Morra auch noch an der Wall Street einsteigen, verschafft sich das dazu nötige Kleingeld von einem russischen Mafioso und verblüfft binnen kurzem alle mit der rasanten Steigerung seines Vermögens durch Spekulationen, sodass es bald zum Kontakt mit dem Finanzmogul Carl von Loon (Robert de Niro) kommt. Ohne Droge ist Mora allerdings nicht nur ziemlich hilflos in Geschäftsgesprächen, sondern verfällt auch körperlich sehr rasch. Nichts ist dann mehr da vom Glanz, verwaschen sind die Farben, blass und verwahrlost die Figuren und die Handlung verlagert Burger dann vorzugsweise in heruntergekommene Straßenzüge.
Nach einer hochmoralischen, an antike Mythen anknüpfende Geschichte von Aufstieg und Fall, vom bitteren Preis, den der Wunsch nach Macht und Reichtum kostet, von einer Gabe, die sich in einen Fluch verwandelt,  sieht „Ohne Limit“ aus, bricht dieses übliche Schema aber in einem ebenso überraschenden wie bösen Epilog. Als satirische Abrechnung mit Wall Street, mit dem Streben nach Luxus und Reichtum, aber im Finale auch mit der amerikanischen Politik kann dieser Thriller gelesen werden sowie als Kritik an der Aufgabe der Individualität um gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen, weckt aber gleichzeitig in der rauschhaften Schilderung dieses ungemein intensiven Lebens beim Zuschauer die Lust auf ein solches.

Bradley Cooper gegen Robert De Niro

Logische Brüche, wie der Umstand, dass der so talentierte Protagonist gerade bei einem russischen Mafioso, von dem man von vornherein erwarten kann, dass er noch Probleme verursacht, Geld ausleiht, oder die stiefmütterliche Behandlung von Abbie Cornish als Morras Freundin, die hier im Grunde nur als optischer Aufputz dient, muss man in Kauf nehmen. Auch ist die Story an sich recht dünn und abgesehen vom Ende auch vorhersehbar. Doch über diese Schwächen täuschen die atemlose Erzählweise und ein souverän aufspielender Bradley Cooper, der Robert de Niro nicht nur im Geschäftlichen, sondern auch schauspielerisch Paroli bietet, locker hinweg.