"Die Sterne" im Spielboden Dornbirn: Frontmann Frank Spilker und Philipp Janzen an den Drums (Foto: Stefan Hauer)
Gunnar Landsgesell · 24. Jän 2013 · Film

Lincoln

Der US-Präsident als findiger Fuchs, der keinen Trick auslässt, um sein politisches Ziel durchzubringen: die Abschaffung der Sklaverei. So gesehen ist Steven Spielbergs "Lincoln" ein meisterlicher Versuch, Historie mit Spirit aufzufüllen und sie in einigen wenigen Handlungszügen zu verdichten.

Gleich in der ersten Szene von „Lincoln“ zeigt Spielberg, wie sich zwei schwarze Soldaten im Sezessionskrieg mit Abraham Lincoln unterhalten. Danach das ganze nochmal: dieses Mal stehen aber zwei weiße Soldaten dem Präsidenten gegenüber. Was gesprochen wird, ist fast egal. Spielberg entwickelt diesen Gegenschnitt vielmehr, um eine gesellschaftliche Differenz zwischen Schwarz und Weiß bloßzulegen, die sich hier eben nicht in der platten Darstellung erschöpft, dass die einen Sklaven waren und die anderen Herren. Spielberg setzt feinere Nuancen und entwickelt so ein Kammerspiel der Macht, das man gesehen haben sollte. Lincoln, als Mitglied der Whigs, Vorläufern der Republikaner, ist durchwegs als spitzfindiger, strategisch hellwacher Geist zu bestaunen, der keinen Kunstgriff meidet, um gegen die Demokraten, Gegner der Sklaverei, bei einer alles entscheidenden Sitzung den 13. Verfassungszusatz durchzubringen: die Abschaffung der Sklaverei. In Daniel Day Lewis findet Spielberg darin einen kongenialen Partner. Er versteht sich auf jene Momente, über die sein Regisseur die Erzählung laufen lässt. Keine großen historischen Exkurse, sondern das Haptische, die Beobachtung oder Stille zwischendurch bilden hier den Quell einer intrinsischen Geschichtsschreibung. Trotz der strategischen Spielereien lässt Spielberg seinen Protagonisten das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Wiewohl Tommy Lee Jones als radikalem Gegner der Sklaverei nicht viel Platz eingeräumt wird, macht Spielberg gerade am Verhältnis der beiden Männer deutlich, wie er Lincoln interpretiert: Als verhaltenen Pragmatiker, der seiner Rolle als historische Lichtgestalt im Film dennoch gerecht werden darf, indem er auch in den eigenen Reihen für jene Zurückhaltung sorgt, mit der man sich bei den demokratischen Sklaverei-Befürwortern nicht angreifbar macht. Als regelrecht komischen Moment inszeniert Spielberg jene besagte Sitzung, in der Tommy Lee Jones sich unter heftigen Provokationen nicht dazu hinreißen lassen darf, seine tiefste Überzeugung zu vertreten: dass alle Menschen von Natur aus gleich sind. Statt dessen plädiert er für die Minimalvariante, dass alle vor dem Gesetz gleich sind, was schließlich die Verabschiedung des Amendments ermöglicht.

Lincolns gekräuseltes Haar

Dass Spielberg auf eine pathetische Aufladung solch neuralgischer Momente verzichtet, sondern diese ins leicht Komische verschiebt, ist keine Respektlosigkeit. Sie zeugen eher von einer gewissen erzählerischen Selbstsicherheit. Noch in „The Color Purple“ (paradoxerweise mit Whoopy Goldberg) war das anders. Auch in seinem Sklavereidrama „Amistad“, einem der ganz raren US-Filme zu diesem Thema, war Spielberg noch stärker als Chronist unterwegs. Die hohe Kunst, den Moment selbst spürbar zu machen, und sei jener, in der sich Lincoln und seine Frau im Wohnzimmer gegenüber sitzen, gibt einem den Eindruck, an (dieser) Geschichte teilzuhaben. Die Kritik, die an „Lincoln“ geübt wurde, dieser habe Afro-Amerikaner auf die Besuchertribüne verbannt und die wirtschaftlichen Hintergründe des Sezessionskrieges zugunsten eines rein politischen Spiels unterschlagen, machen so gesehen wahrscheinlich die Stärke des Films, einer Verdichtung auf wenige, ganz zentrale Player im Washington dieser Zeit, aus. Dass dennoch Platz für Anspielungen bleibt, ist schön. Lincolns Gegner versuchten ihn in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu diskreditieren, indem sie von schwarzen Vorfahren in seiner Familie munkelten. Bei Spielberg nimmt sich die ironische Antwort darauf so aus, dass einer der schwarzen Soldaten ihn auf sein gekräuseltes Haar anspricht und dieser daraufhin von den Schwierigkeiten seines Friseurs mit dem Haupthaar antwortet.