Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 15. Jun 2022 · Film

Lightyear

Dem „Toy Story"-Franchise entsprungen: Buzz Lightyear, der Astronaut mit dem resoluten Kinn, erhält in diesem CGI-Weltraumabenteuer als heroischer Einzelkämpfer von einer queeren Partnerin (bzw. deren Enkelin) eine Lektion in Sachen Teamspirit. Auch wenn Pixar Studios hier technisch keine neuen Wege geht, ein kurzweiliger Trip mit human touch.

27 Jahre ist es bereits her, dass mit „Toy Story“ der erste computeranimierte Kinofilm entstand. Im Kinderzimmer hielt sich damals die Spielzeugfigur Buzz Lightyear für einen echten Astronauten, während sein Kontrahent, der Cowboy Woody versuchte, ihm klarzumachen, dass er nichts weiter als ein „Toy“ ist. Das war komisch und lockte die Massen ins Kino. Disney bewarb den Film mit der Zeile, „Zwei Spielzeuge und weit und breit kein intelligentes Leben.“ 27 Jahre und mehrere Sequels später hat Pixar Studios im „Toy Story“-Spin-off Buzz Lightyear nun wirklich zum Space Cowboy gemacht. Besonders intelligent geht es dabei (zum Glück) noch immer nicht zu, aber der fröhliche Anarchismus von damals ist zugunsten einer humanistischen Botschaft streckenweise zurückgetreten. In der Erzählung von Angus MacLane (Regie) stranden Buzz und seine Raumfahrtkollegin Alicia Hawthorne samt Crew auf einem recht unwirtlichen Planeten. Dort schießen alle paar Meter gigantische Weinreben aus dem Boden und drohen die Figuren in die Tiefe zu ziehen. Sekundenthrills wie diese gibt es genug in dem routiniert entworfenen Actionabenteuer. „Lightyear“ stellt aber auch den Anspruch, mehr zu erzählen, seine Figuren mit einer tragikomischen Note zu erfüllen. Der Auftrag ist, wieder auf die Erde zurückzukommen. Buzz, der sich die Schuld an der Misere gibt, startet deshalb immer neue Versuchsflüge mit Lichtgeschwindigkeit. Während er dabei nicht altert, rauschen für seine Kollegin und Freundin Alicia, die mit der Crew auf dem Planeten zurückbleibt, die Jahrzehnte dahin. In diesen Passagen entwickelt „Lightyear“ eine fast wehmütige Stimmung über den Fortgang der Zeit, während die Figur des Buzz immun für solche Emotionen ist. Besonders spritzig mag die Figur von Buzz, dem Mann mit dem resoluten Kinn, nicht sein. Dafür ist sie eine gelungene Parodie auf ein von Selbstzweifeln befreites heroisches Männerbild, das von Pflichterfüllung und Führungsstärke lebt. – Freilich nicht ganz im Einklang mit der Realität. Mit Zurg, einer dunklen Macht, taucht eine weitere Bedrohung auf; an diesem Punkt, schickt Drehbuchautor MacLane dem Einzelkämpfer Buzz unliebsame Unterstützung durch Izzy, die Enkelin seiner alten Kollegin Alicia. Die Botschaft des Zusammenhalts ist unüberhörbar.

Just a kiss

Das „Toy-Story“-Franchise mit vier Filmen, der letzte 2019, hat aus dem freundlichen Kinderzimmerchaos fast schon System gemacht. Mit „Lightyear“ sollen offenbar neue Dimensionen erschlossen werden. Mit der scheinbar hoffnungslos bornierten Hauptfigur Buzz gibt es eine klare Gender-Positionierung, die durch eine kleine Episode, die Wellen schlug, erweitert wird. 14 arabische und asiatische Staaten boykottieren den Film, weil die schwarze Astronautin Alicia eine lesbische Beziehung eingeht. Im Film ist das ein Detail, für den traditionell auf Familienwerte orientierten Disney-Konzern ist es bemerkenswert, wobei Pixar angeblich die Szene mit dem Kuss zwischen den beiden Frauen wieder in den Film reklamierte, nachdem diese herausgeschnitten wurde. Diskussionen, die einem merkwürdig vorkommen mögen – tatsächlich wurde in Österreich Homosexualität zwischen Frauen 1971 und zwischen Männern erst 1989 gesetzlich außer Strafe gestellt. Für einen Familienfilm 2022 scheint der Kuss im Weltraum dann doch ein Ereignis auf dem Planeten.