Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 31. Dez 2015 · Film

Joy – Alles außer gewöhnlich

Ideenreiche junge Frau (Jennifer Lawrence) aus chaotischen Familienverhältnissen erfindet einen genialen Wischmop und wird damit zur millionenschweren Geschäftsfrau. Die Geschichte der realen Joy Mangano gerät bei Regisseur David O. Russel ("American Hustle") zu einem grotesken, überbordenden Bilderbogen, in dem der Sinn für die Hauptfigur rasch verloren geht.

Die Limits, die einem die eigene Herkunft setzt, zu überschreiten, ist das Programm, an dem sich die unermüdliche Jennifer Lawrence als Titelheldin in dieser grotesken, überstilisierten Komödie ein junges Leben lang abrackert. Regisseur David O. Russel stopft ein Unterschicht-Holzhaus in Pennsylvania mit einem Haufen chaotischer Kindsköpfe voll, die als Familie von Joy dieser nichts als Prügel vor die Beine werfen. Am Ende wird Joy, die schon als Kind ihre Ideen aus Papier bastelte, einen genialen Wischmop entwickelt und sich selbst als Selfmade-Millionärin neu erfinden. Dann winkt sie allen Geplagten dieser Welt noch ermunternd zu: Kopf hoch, auch ihr könnt euch an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.

Joy - alles außer Innenleben


Es ist das alte Tellerwäscher-Lied des amerikanischen Credos „Jeder kann es schaffen“, das hier neu angestimmt wird. Die Vorlage des Films bot die Geschichte der Amerikanerin Joy Mangano, die mit ihrem Miracle Mop auf dem Home Shopping Sender QVC in den Neunziger Jahren einen Verkaufshit landete und zur erfolgreichen Geschäftsfrau und Inhaberin von 100 Patenten wurde. Regisseur Russel und seine Drehbuchautorin Annie Mumolo („Brautalarm“) gestalten „Joy“ aber nicht als geradlinig erzähltes Biopic, sondern als Orgie grotesker Szenen, in denen sich jede Figur vor allem als Entertainer einer großen Familien-Soap zu verstehen scheint. Der Unernst, mit der Russel diese Familie inszeniert, nivelliert dabei alle Gefühlslagen, „Joy“ scheint einzig im endlosen Chaos seine Erfüllung zu finden. Egal ob die notgedrungen konturlose Jennifer Lawrence die Idee für ein fluoreszierendes Hundehalsband hat, von ihrem unfertigen Vater (Robert de Niro) im Stich gelassen wird, oder aber gegen ihre betrügerischen Geschäftspartner antritt – der komisch-satirische Tonfall des Films bleibt dabei immer der gleiche. Bei „American Hustle“ oder „Silver Linings“, ebenfalls mit Jennifer Lawrence besetzt, mag Regisseur David O. Russel damit eine gewisse Dynamik geschaffen haben. Für die Biographie oder auch nur die Gefühlslagen dieser Frau eignet sich das Konzept überstilisierter, flirrender und atemloser Bilderreigen aber nur bedingt. Joy geht irgendwann im Trubel dieser Inszenierung unter: zwischen der TV-Soap-süchtigen Mutter, der notorisch missgünstigen Halbschwester (Elisabeth Röhm), dem unreifen Ex-Ehemann (Edgar Ramirez), dem tölpelhaften Vater, dessen eitler neuer Lebensgefährtin (Isabella Rossellini) und einem QVC-Manager (Bradley Cooper), für den Verkaufszahlen die Messlatte persönlichen Glücks sind. Auf einer uneigentlichen Ebene funktioniert „Joy“ hingegen, betrachtet als Ansammlung von Zitaten und ironisch eingesetzten Bildsorten: Da wechselt Jennifer Lawrence vergnügt ihre Rollen zwischen der amateurhaften Erfinderin, die ihre Ohnmacht im Fernsehshopping-Business erleben muss oder der Rächerin – mit schwarzer Lederjacke und Sonnenbrillen – in einer Kleinstadt in Texas, wo sie ihrem betrügerischen Geschäftspartner entgegentritt. Zu diesem Zeitpunkt ist "Joy" seine Hauptfigur aber längst entglitten.