Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 31. Jän 2019 · Film

Green Book - Eine besondere Freundschaft

Emotion ist hier garantiert: Ein rassistischer Italoamerikaner und ein schwarzer Upper-Class-Pianist sind als Chauffeur und als Künstler durch den Süden der USA in den Sechzigern unterwegs. Peter Farrelly erweist sich als Meistererzähler zwischen Drama und Komödie, mit einem angefressenen Viggo Mortensen und einem pikierten Mahershala Ali hat er ein kongeniales Duo gefunden. Für fünf Oscars nominiert.

Bevor der Italoamerikaner Tony Lipp aus einem Glas trinkt, das schon der afroamerikanische Installateur in der Küche benutzt hat, entsorgt er es lieber im Mistkübel. Dann hockt er sich wieder zu seiner aufgekratzten Männerrunde im Wohnzimmer. Ein derber Scherz wird dort immer goutiert. Komödienmeister Peter Farrelly hat einen neuen Film gemacht, diesmal ohne seinen kongenialen Bruder Bobby. Mit „Green Book“ holt er tief in die Sechziger Jahre aus, eine Zeit, die hier eher nicht gemütlich wirkt. Es geht um eine Freundschaft zweier Männer, die eigentlich alles mitbringen, um sich keines Blickes zu würdigen. Da gibt es Tony, verkörpert von Viggo Mortensen, den man kaum erkennt, so viele Kilo hat sich der sonst so maskuline Akteur angefressen. Dass er sich auch noch hier durch den gesamten Film frisst  und die Fast-Food-Pappbecher anschließend aus dem Autofenster wirft, passt. Farrelly kreiert einen wüsten Proletarier, der Konflikte mit der Faust löst, Schwarze und Schwule nicht mag, seine Frau liebt und für seine Männerfreundschaften jedes Opfer erbringt. Als Tony einen Job sucht, bewirbt er sich als Chauffeur bei Doc Shirley, der stellt sich zu seinem Schrecken aber als schwarzer Pianist heraus, zudem ein abgehobener Feingeist und Bohemian, der Kontakte bis ins Weiße Haus pflegt. Dort wirbelten die Kennedys damals einigen Staub auf. Mahershala Ali („Moonlight“) verleiht seinem Charakter eine pikierte, abgehobene, fast keimfreie Aura, zu der Tonys Visage den kulturellen Supergau bietet. Damit hat Farrelly alle Joker für eine Gross-out-Komödie, in der es nicht manchmal zu Mißverständnissen zwischen beiden kommt, sondern ohne Unterlass zwei Welten aufeinander prallen.

Meisterliche Dramödie 

Es ist aber nicht nur der Job, der Tony und Doc verbindet, sondern ein knallenger gesellschaftlicher Rahmen, der auf beide einwirkt, diese Erkenntnis sickert durch die Erzählung. Farrelly schickt sein unfreiwilliges Tandem in den Deep South der USA, wo schwarze Künstler noch in den Sechzigern nicht in dem Restaurant essen durften, in dem sie auftraten. Das titelgebende Green Book war ein Guide für Afroamerikaner, in dem stand, in welchen Hotels sie absteigen dürfen. Nun hat es der xenophobe Tony in der Hand, für seinen Chef, versteht sich. Einmal mehr versteht es Peter Farrelly, Komödie und Tragödie auf unverwechselbare Weise zu überkreuzen. „Green Book“ ist ein überdrehtes Roadmovie, eine wehmütige Homestory, eine politische Satire auf rassistische Stereotypen, und irgendwie auch ein Märchen, das von der Überwindung gesellschaftlicher Schranken erzählt. Gerade bei den Farrellys fällt auf, dass ihre Erzählungen nie in Gefahr sind, in eine zynische Weltsicht abzugleiten. Da gibt es immer diesen rätselhaften Humanismus, der sie, so derb und dumm sich die Charaktere auch anstellen mögen, davor schützt, dass jemand sie verächtlich macht. Das kann – auch – in „Green Book“ das Eis schon schmelzen lassen. Wenn Tony seiner Frau (Linda Cardellini) von der Reise Briefe schreibt, dann tritt der kindliche Geist dieses ansonsten rüden Burschen hervor. Dass er schließlich dankbar die Unterstützung des Doc annimmt, erzählt dann nicht mehr nur von einer feindlichen Umwelt, in der sich das Duo behaupten muss, sondern von mehr. Das ist auch eine der schönsten Seiten der Farrelly-Brüder als Erzähler, auch wenn diesmal nur die eine Hälfte am Werk ist.