Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 06. Mär 2014 · Film

Grand Budapest Hotel

Ein Hotel, wie es schon lange nicht mehr existiert, wird zum Schauplatz einer untergegangenen Welt. Es wäre nicht Wes Anderson, wenn sich in der Hotellobby nicht eine höchst sonderliche Gesellschaft versammeln würde. Exaltiert und wunderbar, wie der Geschichtenerzähler Anderson selbst.

Versteht man Hollywood als Illusionsmaschine, dann wäre Wes Anderson deren wichtigster Mann. Wie nur wenige andere Regisseure bastelt er bildlich gesprochen Welten aus fantastischen Hotels, tierischen Helden und eigenbrötlerischen Tauchpionieren mit der Begeisterung eines kleinen Buben, vergisst aber darüber nie, sich immer wieder aus seinem (selbstverliebten) Spiel zu nehmen, und die aufgebauten Settings und Geschichten einer Reflexion zu unterziehen. So funktionieren auch Andersons Filme: Immer wieder lässt er sein Publikum in verschiedene Erzählschichten abtauchen, um es einige Zeit später wie eine Ente in der Badewanne wieder an die Oberfläche zu ziehen. Wo andere Filmemacher ängstlich bemüht sind, die Zuseher im Sog der Erzählung zu halten, unterbricht Anderson seine Illusionsspiele ganz absichtsvoll mit neuen Ideen. „Grand Budapest Hotel“ ist die vielleicht am meisten elaborierte Version dieser Arbeitsweise. Es braucht drei (oder sind es vier?) narrative Verschachtelungen, bis man schließlich auf der eigentlichen Erzählebene angekommen ist. Das Grand Budapest Hotel, das der Schauplatz dieser Erzählung ist, wirkt einmal sehr physisch und pompös und dann wieder wie eine Montage, fast gezeichnet. Ein Wunderwerk an Production Design. Ein Gast, Jude Law, betritt es und mit ihm stürzt man in eine Welt geheimnisvoller Phänomene. In dieser Hotellobby wartet die Welt von Gestern: so heißt das große autobiographische Werk von Stefan Zweig, in dem er ein untergegangenes Europa noch einmal auferstehen lässt. Anderson hat sich daran bedient.

Die Welt von Gestern

Schon bald schwelgt auch im Grand Budapest Hotel ein bärtiger alter Mann, dem man nachsagt, er sei der Besitzer des Hotels, in Erinnerungen. Die Wehmut Zweigs wird zu der von Andersons Publikum. Was der alte Mann nun an Wundersamen aus seinem Leben und dem des Hotels berichten wird, das gibt es heute nicht mehr: einen Concierge (Ralph Fiennes als Monsieur Gustave), der das Hotelpersonal mit penibler Genauigkeit dirigierte und seine Gäste , vornehmlich ältere Damen, denen er auch mit Liebesdiensten über die Einsamkeit hinweghalf, mit gebotener Etikette hofierte; und eine steife Gesellschaft, die jedem Menschen seine Rolle zuwies, was bis zum kleinen Lobbyjungen offenbar allen ein Auftrag war. Es wäre natürlich nicht Wes Anderson, wenn diese Erzählung nicht ordentlich durchgeschüttelt würde. Der gewöhnliche Concierge, Monsieur Gustave, wird zum Erben eines außergewöhnlichen Bildes, was die aristokratischen Angehörigen (u.a. Adrien Brody) der Verstorbenen (Tilda Swinton) in Rage geraten lässt. Und auf einer Zugfahrt tritt Gustave und seinem Lobbybuben ein faschistischer Trupp entgegen, der mit einem mal sehr bedrohliche Töne in diese Elegie der Sehnsüchte bringt. Die Szene wird so etwas wie der dunkelste Moment dieser Erzählung, die den versinkenden Fundamenten einer kuriosen Gesellschaft folgt. Anderson kleistert sie mit naiver Freude noch einmal zusammen, wenn Zweig das wüsste.