Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 27. Apr 2017 · Film

Gimme Danger

Iggy Pop, Postpunk-Ikone und mit The Stooges sagenumwobener Protagonist der Sechziger Jahre, in einem Essayfilm von Jim Jarmusch. Intim, wüst, liebevoll - eine Annäherung, die einen zu faszinieren vermag, auch wenn man keine Nummer der Stooges parat hat.

Er wollte keine endlosen Texte schreiben wie Bob Dylan, all das Blah Blah, sagt Jim Osterberg, der unter seinem Künstlernamen Iggy Pop als Punkrock-Ikone gilt. Als Iggy mit den Asheton-Brüdern The Stooges gründete, erinnerte er sich an die Kindersendung „Lunchtime with Soupy“, dessen titelgebender Figur die Kinder Post schicken konnten. Ein Brief sollte aber nie länger als 25 Worte sein. Also fasste sich auch Iggy kurz. „I wanna be your dog“ und andere Nummern aus der Zeit der Stooges fielen nicht durch ihre rhetorischen Feinheiten als Protestsongs auf, sondern durch ihre rohe, ungestüme Kraft. Ron Asheton quälte die Gitarre, Iggy rotzte ins Mikrophon. Sein durchtrainierter nackter Oberkörper lässt einen nur schwer glauben, was der heute 70-jährige Jim Osterberg über diese Zeit erzählt: Die Bandmitglieder konsumierten so ziemlich jede Substanz, die ihr Gehirn in andere Sphären brachte. Als sie Heroin entdeckten, dauerte es nicht mehr lange, bis die Band zerbrach. Während die Ashetons bereits tot sind, strahlt Iggy, irgendwie kaputt und topfit zugleich, heute immer noch sein Charisma aus, das ihn selbst wesentlich berühmter gemacht hat als seine Musik.

Trailer Home und Postpunk

Regisseur Jim Jarmusch ist ein Fan von Iggy Pop und er verheimlicht das nicht, wenn es heißt, The Stooges seien die größte Rockband ever. Ähnlich liebevoll wie Jarmusch vor 20 Jahren bereits Neil Young porträtierte, hat er auch „Gimme Danger“ gestaltet. Er hat einen Haufen Fotos und Konzertausschnitte zusammengetragen, hat eigens kleine Animationen anfertigen lassen und er unterlegt immer wieder willkürlich ausgewählte Clips aus Hollywood-Filmen zu den Worten von Iggy Pop, was oft einen ziemlich grotesken Effekt hat. Iggy wiederum hat Vertrauen zu Jim, auch das ist zu merken. Der Mann mit dem hageren Gesicht und den blitzenden Augen erstaunt als wandelndes Lexikon, er präsentiert Namen, Daten, Orte, als wäre er ihnen erst gestern begegnet und nicht vor Jahrzehnten. Jarmusch schafft eine Atmosphäre, in der Iggy Pop gar nicht wie ein Showman wirkt, sondern – Danger! – ganz ehrlich. Wenn er als Einflüsse neben John Coltrane (Love Supreme), Miles Davis (Bitches Brew) und Bo Diddley auch Soupy aus der erwähnten Kindersendung zitiert, dann ist das ein Beispiel mehr für die erfrischende Geradlinigkeit, mit der dieser Mann über sich und die Zeiten spricht. Natürlich kann das auch komisch sein. Als die junge Band an die Ostküste in ein verlassenes Haus zog, wo sie ihr Geld und Essen miteinander teilten, da wären sie richtige Commies, also Kommunisten, gewesen, so Pop. Politik, das sei aber nie so sein Ding gewesen. Wie tief sich diese Haltung festsetzte, keiner Bewegung anzugehören, weder den Hippies noch dem Punk, lässt sich an einer Episode erahnen, die er erzählt. Aufgewachsen in der Provinz von Ann Arbor, Michigan, in einem Trailer Home, hatte er einmal Schulfreunde eingeladen, die wie er eine Band gegründet hatten. Sie klangen ziemlich professionell, und er wollte so klingen wie sie. Als die Burschen den Trailer sahen, versuchten sie, ihn zum Wackeln zu bringen. Drinnen ergötzten sie sich an der Beengtheit der Räume. Der Cadillac des Vaters von einem der Jungen wäre größer als der Trailer. Iggy war verletzt und er schwor sich, er werde einmal größer sein als sie. Dieser Gedanke begleite ihn bis heute, sagt Iggy. Und fügt sinngemäß hinzu: Here I am.