Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 02. Apr 2015 · Film

Everything Will Be Fine

Wim Wenders schickt James Franco als schläfrigen Schrifsteller in ein dramatisches Ereignis, um ihn mit neuen Ideen zu beseelen. Wenn auch ein wenig unentschlossen in seiner Stoßrichtung, erweist sich "Everything Will Be Fine" als Reflexion über Pragmatismus und Glück dieser Welt.

„Every Thing Will Be Fine“ beginnt wie ein Märchen mit surrealer Note: In einer winzigen Holzhütte hockt ein Mann, der sich mit einem Text abmüht. Der Mann ist der Autor Tomas und steckt offenbar in einer Schaffenskrise, die Hütte steht (Achtung, Metaphorik!) auf der Eisdecke eines Sees. Als Tomas in Gestalt von James Franco hinaustritt, erstreckt sich das große, weiße Nichts vor ihm, das nur von ein paar Fischern vor ihren Eislöchern gestört wird. Die Szenerie hat Anklänge an „Fargo“, wenn Tomas seiner Freundin (Rachel McAdams) etwas theatralisch am Telefon von einer dramaturgischen Leere berichtet. James Franco ist einfach nicht der Typ für das ernste Fach, sein Gesichtsausdruck wirkt immer etwas grotesk, selbst in den größten Krisen. Das stört in Wim Wenders erstem Spielfilm seit sieben Jahren aber nicht weiter. Wenders, unerschütterlicher Freund der Lakonie, setzt mit „Every Thing Will Be Fine“ zwar eine dramatische Geschichte in Szene, federt sie aber, der Filmtitel prophezeit es, durch den traumwandlerischen Tonfall deutlich ab. Alles Geschehen wirkt hier wie in Schnee gepackt, gedämpft, verlangsamt und obwohl nicht düster, so visuell doch ziemlich dunkel. Eine gewisse Künstlichkeit stellt sich zusätzlich ein, weil Wenders unbedingt in 3D drehen wollte. Räumliche Tiefe gewinnt das Arthouse-Drama dadurch nicht, aber eine Guckkasten-Ästhetik, die einen wie in die frühen Wunderkammern, wie in ein Panoptikum blicken lässt.

Narkophile Stimmung

Wunderlich, so wie das auf seine Weise „Paris, Texas“ war, ist Wenders neuer Film auch. Er schubst seinen Protagonisten Tomas in einen dramatischen Zwischenfall, um ihn aus seiner Schaffenskrise zu reißen: eine vollbesetzte Kinderrodel kreuzt die verschneite Straße, Tomas kann sein Auto nicht rechtzeitig stoppen. Der Unfall bringt Tomas mit der Mutter – Charlotte Gainsbourg in einer weiteren obskuren-schwermütigen Rolle – in Kontakt, wider Erwarten entwickelt sich aus dieser schwierigen Begegnung aber nicht das dramaturgische Zentrum des Films. Das bleibt ganz auf den Schriftsteller, der nunmehr erfolgreich wird, zugeschnitten. Rund um ihn mäandern von Wenders mit mehr oder weniger Interesse in die Handlung eingearbeitete Frauen: neben Gainsbourg und der zur Unscheinbarkeit verdammten Rachel McAdams gesellt sich schließlich noch eine dritte Frau, mit der sich vielleicht eine sehr pragmatisch angelegte Beziehung finden lässt. „Every Thing Will Be Fine“ ist ein Film, dem der zwingende Grund seiner Existenz fehlt. Nicht langweilig, auch nicht belanglos, aber doch unentschlossen, welchem Thema seine Reflexion gelten soll. James Franco erinnert mit seinen halbgeschlossenen Augen an River Phoenix als Narkoleptiker in „My Private Idaho“, wie er hier durch eine Welt taumelt, in der sich Glück nur um den Preis des Unglücks anderer einstellen will. Bei Charlotte Gainsbourg und ihrer Rolle hat man tatsächlich das Gefühl, hier wurde ein Teil dieser Geschichte einfach vergessen oder verschwiegen. Die Vitalität früher Arbeiten wie „Alice in den Städten“ hat Wenders bei seinem Neuanlauf fürs fiktive Kino nicht angepeilt, doch auch in der narkophilen Stimmung dieses Films lässt sich ein Stück Wahrheit erkennen: über die Welt und eine Gelassenheit ihrer Wahrnehmung.