Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 16. Sep 2015 · Film

Everest

Von Fahrlässigkeit und einem mächtigen Sturmtief am Everest erzählt diese Verfilmung einer Expedition, die 1996 mehrfach tödlich geendet hat. Nach einigen dramaturgischen Schwierigkeiten, seine Protagonisten unterscheidbar zu machen, findet "Everest" zu seinem eigentlichen Ziel: einer möglichst physisch erlebbaren Katastrophe. Der Erfrierungstod kommt hier im IMAX-Verfahren und in 3D.

Dass man sich am Berg nicht respektlos verhalten darf, weiß man schon als Schifahrer. Umso mehr gilt das für den Mount Everest, der jene bestraft, die ihm leichtfertig begegnen. Dass Jake Gyllenhaal als einer von zwei Expeditionsleitern mit nackter Brust und flotten Sprüchen auf einem Campingstuhl lehnt, als wäre er an der Adria baden, ist bereits als böses Omen zu verstehen. Gyllenhaal in der Rolle von Scott Fischer wird am Ende ebenso wie sein Freund und Kollege Rob Hall (Jason Clarke) von der Gipfelbesteigung nicht mehr zurückkehren. Mit ihnen bleiben auch einige ihrer Kunden im ewigen Eis zurück. Regisseur Baltasar Kormákur bemüht sich, seinem Bergdrama nicht nur eine räumliche, sondern auch eine menschliche Dimension zu verleihen und nimmt sich eine Stunde lang Zeit, die Hobby-Alpinisten und Abenteurer vorzustellen. Das ist der weniger eindrückliche Teil von „Everest“. Trotz hochkarätiger Besetzung mit Josh Brolin, Gyllenhaal, John Hawkes, Sam Worthington bringt die mangelnde Individualität einige Probleme, die Figuren auseinanderzuhalten. Für Keira Knightley und Robin Wright reicht es gerade für den Part der sich sorgenden Ehefrauen. Das ganze Projekt ist von einer Männlichkeit getrieben, die eben auch zum Leichtsinn neigt. Hier findet der Film endlich in einen von Inserts begleiteten Erzählmodus, der zwischen den verschiedenen Camps und Höhenlagen in einer Verdichtung unglücklicher und fahrlässiger Ereignisse die Katastrophe aufrollt.

Eindruck der Überwältigung


„Everest“ nutzt sämtliche technische Erneuerungen vom IMAX-Verfahren über 3D bis zur Bildbearbeitung, die den Set in den Dolomiten mit Aufnahmen aus dem Himalaya verschmelzen lässt, um zu zeigen, auf welche Weise der Mensch den Naturgewalten ausgesetzt ist. Wenn die Männer vom Sauerstoffmangel in der sogenannten Todeszone und dem Erfrieren bei Minus 40 Grad bedroht sind, dem heranziehenden Sturmtief, den Schneemassen, den Felswänden und einer wackeligen Leiter über eine Gletscherspalte ausgesetzt sind, dann spürt man als Zuseher, dass man am eigentlichen Ziel dieser Produktion angekommen ist. Mit der Physis, die die Inszenierung sucht, werden die rudimentär gezeichneten Figuren nahezu irrelevant. Wenn im Basislager die Hörer des Satelliten- und des Kabeltelefons aneinandergehalten werden, um einen kurz vor dem Erfrierungstod stehenden Mann irgendwo oben am Berg mit seiner ihm Mut zusprechenden Frau zu verbinden, dann erzählt „Everest“ von den letzten Dingen zwischen Leben und Tod. Das wirkt weder besonders schicksalshaft noch sentimental, lässt sich aber auch auf keine Spekulationen über Versagen und Schuldige ein. Einer der Teilnehmer war der Autor Jon Krakauer, der später über die Expedition ein Buch verfasst hat. Am Ende von „Everest“ bleibt der Eindruck der Überwältigung, der Mensch bleibt auf der Strecke.