„Sunset Boulevard“ von A.L.Webber in der Inszenierung des Musiktheaters Vorarlberg (Foto: mtvo).
Gunnar Landsgesell · 20. Dez 2012 · Film

End of Watch

Ein Polizist (Jake Gyllenhaal) filmt die eigenen Einsätze in "South Central" und gibt dem Publikum damit die Perspektiven vor. Das Ergebnis ist ein Cop-Thriller, der auf ausgeklügelte Weise mit dem Realismus seiner Inszenierung spielt.

South Central, Los Angeles, bewährt sich immer wieder als Spielwiese für harte Geschichten. Im Hip Hop wie im Film werden ohne viel Ironie Qualitäten wie männliche Härte und Überlebensinstinkte abgefeiert, Pädagogik oder kriminalistische Plots spielen dabei weniger eine Rolle. Anders als der vor 20 Jahren als Regie-Hoffnung gefeierte (weiße) Stephen Milburn Anderson, der in seinem programmatisch angelegten Ghetto-Film „South Central“ ein paar Afroamerikaner auf die Piste schickte, um sie über ihr Leben im „Ghetto“ erzählen zu lassen, nimmt der äußerst geradlinig erzählte aber nicht minder testosterongetriebene Cop-Thriller „End of Time“ eine Außensicht ein.

Dräuende Gefahr

Zwei Polizisten, in Person von Jake Gyllenhaal und Michael Peña, streifen als Polizisten des LAPD durch gewaltverseuchte Gegenden, während Gyllenhaal sich als Amateurfilmer betätigt und mit seiner Kamera immer wieder „realitätsnahe“ Bilder für das Publikum selbst liefert. Mit dieser Form von „authentischen Einblicken“ nimmt „End of Watch“ schon zu Beginn seine Erzählung auf: mit einer rasanten Autoverfolgung durch enge Gassen, bei der nicht Geschwindigkeit zentral ist, sondern die Frage, was die Handkamera hinter der nächsten Häuserecke an Gefahren einfängt. Diesem Bildmodus, der sich für den Zuseher als visuelle Unmittelbarkeit gepaart mit emotionaler Betroffenheit darstellt, bleibt Regisseur David Ayer in weiten Strecken treu. Bedeutsam wird diese ästhetische Entscheidung insofern, als sie vom begrenzten Blick der Polizisten selbst erzählt: Die Hintergründe der von den zwei Cops bearbeiteten Konfliktherde bleiben hartnäckig im Dunkeln: Situationen werden geregelt, Leute gerettet, Kriminelle bekämpft aber Fälle irgendwie nie gelöst. So reiht sich eine Episode an die nächste. Während einen der Film auf raffinierte Weise immer mehr in eine Art South-Central-Feeling eintunkt, nährt er zugleich die Unruhe des stärker auf Aufklärung und Kompetenzüberschreitung drängenden Gyllenhaal. Beim Zuseher selbst wird indes die Spannungsschraube spürbar angezogen: Wann entlädt sich die dräuende Gefahr all dieser Schauplätze in einem großen Clash? So gesehen erinnert „End of Watch“ an Ayers nicht minder irritierendes Drehbuch für „Training Day“, in dem die Wege Denzel Washingtons als ausgebufftem DEA-Beamten in Los Angeles nicht nur seinem jungen Kollegen Ethan Hawke Rätsel aufgeben. Während Ayer dramaturgisch und visuell um möglichst offene, „realistische“ Strukturen bemüht ist, bleibt der 44-Jährige inhaltlich ein wenig in seiner eigenen Realismusfalle stecken. Obwohl auch die Ehefrauen der beiden Polizisten Eingang in die Geschichte finden, verliert Ayer sie bald wieder aus den Augen. Frauen haben im Härtlingstest eben keinen Platz. Auch die Quelle der ständigen Neckereien und Witze zwischen Gyllenhaal und Peña kommt einem bekannt vor, geht es doch dabei um deren Hautfarben – der eine weiß, der andere Hispanic – und daraus abgeleitete „ethnische“ Klischees. Das wirkt schon etwas abgenutzt, so wie Ayers „neutrale“ Haltung zu knochentrocken inszenierter (Polizei-)Gewalt. In Verbindung mit dem Realismus, den „End of Watch“ anstrebt, weichen diese Bilder hinsichtlich der üblichen Fiktionalisierungssprüche („ist ja nicht echt“) ein wenig ab und legitimieren hartes Durchgreifen. Wer zu abstrahieren bereit ist, erlebt ein filmisches Täuschungsmanöver der besonderen Art.