Elysum
Elysum ist ein Sci-Fi-Thriller mit erschütternd simpler Botschaft: Wo die einen in Trümmern leben, genießen parallel dazu die anderen ihr Leben in Glück und Gesundheit. Und eine Liebeserklärung an die Erde. Der gebürtige Südafrikaner Neill Blomkamp zeigt wie schon in „District 9“, wie sich Genrekino und Kritikfähigkeit zu einer wundersamen Allianz verbinden können. Mittendrin versucht Matt Damon als verstrahlter Fließbandarbeiter im John-Carpenter-Stil, die Festung der Reichen zu stürmen.
In einem Interview mit der „Zeit“ erzählt Regisseur Neill Blomkamp, wie er auf die Idee des Films kam. Als er mit einem Freund über die US-mexikanische Grenze nach Tijuana fuhr und eben mit einem Bier in der Hand dasteht, kommen zwei Polizisten, erklären ihm, Alkohol in der Öffentlichkeit sei illegal. Dann legen sie ihnen Handschellen an und fahren sie irgendwohin. Blomkamp zahlt fast 1.000 Dollar, um schließlich aus dem Auto geworfen zu werden. Nicht so gut: Die beiden stehen nächtens in den Slums einer gefährlichen Stadt, vor den Hütten lodern Feuer, die Leute schauen sie seltsam an. Und im Hintergrund ist die Mauer, die die Amerikaner gegen illegale Migration errichtet haben. Wer das liest, dem wird klar, warum der im Jahr 2154 spielende Science-Fiction-Thriller „Elysum“ es schafft, so realistisch zu wirken. Auch wenn sich über der Erde im All eine Art gigantisches Sonnenrad dreht, wo die Reichen sich in eine grüne Golfparklandschaft zurückgezogen haben, hat man den Eindruck, hier gelingt es jemand auf ganz simple Weise über unsere Erde im Heute und Jetzt zu erzählen. Die Reichen, unerreichbar, der verarmte Rest, die Erdbürger, lebt in verwüsteten Städten mit rudimentärer Infrastruktur in Schach gehalten von Androiden und Robotern. Ein beschämend simples und wirksames Bild, das Blomkamp für die Gleichzeitigkeit von Erster und Dritter Welt gelingt. Aus den abfällig „Shrimps“ genannten Aliens aus Blomkamps Vorgänger „District 9“, die für die Migranten unserer Zeit standen, ist nun eine ganze Weltbevölkerung geworden, die auf die devastierte Erde abgeschoben bzw. dort hinterlassen wurde.
Liebeserklärung an die Erde
Dass Blomkamp seine Erzählung – noch etwas deutlicher als in „District 9 – relativ plakativ anlegt, macht wohl die Stärke seiner Filme aus. So wie John Carpenter in seinen besten Zeiten verbindet Blomkamp seine Elemente zu einer glasklaren Struktur: sehr greifbare soziale Kritik mit cooler Ästhetik und einer unterhaltsamen Geschichte. Das Ergebnis erscheint von unnötigem Schnickschnack befreit. Die Geschichte: Ein Mann (bullig, hart, nicht gleich zu erkennen: Matt Damon) ist vorbestraft aber froh, an einem Fließband arbeiten zu dürfen. Als Max durch die Absicht eines Vorarbeiters verstrahlt wird und nur noch wenige Tage zu leben hat, versucht er, mit einem gekaperten Raumschiff nach Elysum zu kommen, wo die Gesundheitsversorgung kostenlos ist. Auf Elysum steht in jedem Haus so eine Art Solarium herum, mit dem selbst ein zerfleischtes Gesicht innerhalb von Sekunden wieder rekonstruiert wird. Ein lokaler Gangsterboss (nicht ganz böse: Diego Luna) verspricht Max den Trip für ein Gegengeschäft, er soll sich die Software eines Waffenhändlers in sein eigenes Gehirn downloaden. Max’ Körper wird dafür mit jeder Menge Metall verschmolzen, der wütende Bulle wird zum Cyborg. Das Unternehmen erweist sich als brisant: Der Industrielle bastelt just mit der Innenministerin von Elysum (Jodie Foster) an einem Putsch.
Blomkamp greift in dieser Verschwörung auf jede Menge Schauwerte unserer Zeit zurück: Tödliche Drohnen, Computerhacking, Datenüberwachung und antidemokratische Player. Und gut dosierte Action für das Publikum, das nicht unbedingt in erster Linie für dröge Sozialkritik ein Ticket gelöst hat. Und auch Pathos ist erlaubt: Eine Liebe schon aus Kinderzeiten verbindet Max mit Frey (Alice Braga), die nun als Krankenschwester arbeitet. Elysum überzeugt weniger durch ein elaboriertes Drehbuch als durch die Wahrhaftigkeit seiner Überzeugungen. Die wahren Emotionen, könnte man aber argumentieren, sind in Elysum aber jemand anderem vorbehalten: der Erde. Wie Blomkamp den blauen Planeten immer wieder aus dem All in Szene setzt, gleicht glatt einer Liebeserklärung.