"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Gunnar Landsgesell · 04. Mai 2018 · Film

Eleanor & Colette

Eine Frauenfreundschaft zwischen Schizophrenie-Patientin (Helena Bonham Carter) und Anwältin (Hillary Swank), die vereint gegen die Pharmaindustrie antreten. Nach einem wahren Fall, von Regisseur Bille August als routiniertes Female Buddy Movie inszeniert.

Einmal drin, kommt man so schnell nicht mehr heraus. Selbst, wenn man freiwillig dort angeklopft hat, wie kürzlich in Steven Soderberghs „Unsane“. Wie kaum eine andere Institution eignet sich die Psychiatrie dazu, Verrücktheit thematisch zu verschieben – weg vom Patienten, hin zum „System“, das in Wahrheit völlig bekloppt weil inhuman ist. In Bille Augusts jüngster Arbeit „Eleanor & Colette“ wird die an Schizophrenie leidende Eleanor (Helena Bonham Carter) mit Unmengen an Medikamenten behandelt, die ihr gar nicht gut tun. Mit der spät berufenen Anwältin Colette (Hilary Swank) findet sich jedoch schon bald eine Kämpferin an ihrer Seite, die es selbst mit der Pharmaindustrie aufnimmt. Und während zu Beginn eine um sich schlagende Eleanor noch von den Krankenwärtern durch den Gang gezerrt wird, ist mit der dräuenden Freundschaft der beiden ungleichen Frauen schon bald dem Female Buddy Movie der Weg bereitet.

Bewährt weichgespült

Der dänische Regisseur Bille August, der sich mit „Pelle, der Eroberer“ einen Namen gemacht hat, steht 30 Jahre später für eine gepflegte, weichgewaschene Form von Kino, in der sich intellektuelle Kalkulation, bewährte emotionale Schemata und die Wahl eines gesellschaftlich relevanten Themas vereinen. Egal ob es um Isabel Allende („Das Geisterhaus“) oder um Nelson Mandela („Goodbye Bafana“) geht, in dem sich selbst ein übler Rassist zum einsichtigen Paulus wandelt, egal ob Sterbehilfe („Silent Heart“) oder eine Klassiker-Verfilmung (Victor Hugo's „Les Misérables“), Bille August setzt sie mit einer fast gleichmütig wirkenden Routine ins Bild.
Auch in Augusts jüngstem Film, der im Original "55 Steps" heißt und sich auf Eleanors Zwangshandlung bezieht, die Stufen im Gericht zu zählen, fühlt sich August sichtlich wohler, die harte Realität eines wahren Falles gegen gut gepolsterte Theatralik einzutauschen. Bonham Carter gemahnt in ihrer Aufmachung mit dem buschigen Haar und der dunklen crazycrazy Gothic-Schminke mehr an The-Cure-Frontman Robert Smith als an eine Schizophrenie-Patientin. Dass Exzentrik auf dieser Bühne gefragt ist, bleibt dafür einwandfrei zu erkennen. 
Für Hillary Swank bedeutet die Rolle als Anwältin vor allem, einen Schritt zurückzutreten. Vor Gericht spielt sich zumeist ihr männlicher Partner (Jeffrey Tambor) in den Vordergrund, während sie selbst oftmals als Knuddelpartnerin für ihre Klientin und Freundin gefragt ist. Feuchte Augen inklusive.
Eigentlich bezieht "Eleanor & Colette" sein Selbstverständnis daraus, von Patientenrechten zu erzählen. Zigtausende Menschen konnten sich seit Ende der 1980er Jahre nach dem Sieg vor Gericht dagegen aussprechen, mit bestimmten Psychopharmaka behandelt zu werden. Mit der Drehbuchvorlage von Mark Bruce Rosin, der zuletzt vor 30 Jahren ein Script über eine sprechende Vagina abgeliefert hat, gelingt das nur bedingt. August und Rosin schaffen so etwas wie eine Groteske mit Anspruch, eigentlich eine komische Mischung.