„Sehnsucht nach der Welt – L‘Amour du Monde" derzeit im FKC Filmclub Dornbirn © Mindjazz Pictures
Walter Gasperi · 31. Mär 2012 · Film

Die Piraten – Ein Haufen merkwürdiger Typen

Viel Zeit nehmen sich die britischen Aardman Animations für die Produktion ihrer Filme. Sieben Jahre sind seit „Wallace and Gromit – Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“, zwölf seit „Chicken Run“ vergangen. Aber jetzt melden sich Nick Lord und Co-Regisseur Jeff Newitt mit einem Film zurück, der sich hinter seinen Vorgängern nicht verstecken muss.

Vom Kurzfilm kommen zwar Nick Lord und seine Aardman Animations, nur selten wagt man sich an einen langen Spielfilm. Dass so lange Pausen zwischen den einzelnen Filmen liegen, hängt aber auch an der aufwändigen Machart, denn bei diesen „Knetmännchen“-Filmen muss in Stop-Motion-Animation jedes Bild einzeln gefilmt werden. Man sieht aber „Die Piraten“ nicht nur die Zeit an, die dafür aufgewendet wurde, sondern auch die Liebe.

Piraten – Ein Dorn im Auge britischer Weltherrschaft

Die Handlung spielt im Jahre 1837. „Rule Britannia“ betont musikalisch die britische Weltherrschaft unter Königin Viktoria. Die Großmächte können auf den Meeren nichts gegen die Briten ausrichten, lästig sind ihnen aber die Piraten der Karibik. Wenig erfolgreich ist zwar der Piratenkapitän mit seiner schrulligen Crew, dennoch will er im Kampf um den Titel des „Piraten des Jahres“ gegen Entermesser Liz, Holzbein Hastings und Black Bellamy antreten.
So kapert er Charles Darwins Beagle, der erkennt, dass es sich bei des Kapitäns Polly nicht um einen Papagei, sondern um den vermeintlich ausgestorbenen Dodo handelt. Gemeinsam fährt man so Richtung  London um die naturwissenschaftliche Sensation in der Royal Society zu präsentieren und die dafür versprochene sagenhafte Belohnung in Empfang zu nehmen. Zu „London Calling“ ankert das Piratenschiff vor den Toren der Hauptstadt. Obwohl die Königin nichts mehr hasst als Piraten, scheint  der Kapitän alles zu erreichen, muss dann aber ganz tief fallen, um am Ende doch noch zu erkennen, was die wesentlichen Dinge im Leben sind.

Schrullige Figuren und Detailreichtum

Turbulent ist die Handlung, die Stärken des Animationsfilms bestehen aber vor allem in prägnant gezeichneten schrulligen Figuren. Neben dem Kapitän, der in seinem mächtigen Rauschebart allerhand verstecken kann, und seinen Kontrahenten gehören dazu auch Königin Viktoria, bei der allein schon ihre Körperfülle ihren dominanten Charakter zum Ausdruck bringt, der spleenige Biologe Charles Darwin oder seine Crew mit Albino-Pirat, Nr. Zwo, dem außergewöhnlich kurvenreichen Piraten und dem Piraten mit Gicht. Hinreißend ist auch Darwins stummer Schimpanse Mr. Bobo, der sich allein durch Schrifttafeln verständigt. Dazu kommt die große Liebe zum Detail, bei der oft auch der Bildhintergrund einen Witz oder eine Anspielung bietet. 3D-Effekte werden dagegen nur dezent eingesetzt, einfallsreiches Storytelling ist wichtiger als großes Spektakel.
Zeit nimmt sich Lord für die Vorstellung der Figuren und Konfliktfelder, doch dann nimmt die Handlung mächtig Fahrt auf. Actionreiche Sequenzen und spektakuläre Gefechte entwickeln sich da, wenn die Piraten gegen Königin Viktoria zum Gegenschlag ausholen, Spannung und Humor halten sich bestens die Waage.

Labour of Love

Wie in „Chicken Run“ geht es gegen Ende auch hier um Tierverwertung und der Film lässt sich auch als eine Attacke gegen gierige Weltherrscher und als Plädoyer für einen achtsamen Umgang mit der Artenvielfalt der Erde zu lesen. Nie kommt freilich die Botschaft aufgesetzt und mit erhobenem Zeigefinger daher, sondern wird verpackt in mitreißende und höchst elaborierte Unterhaltung.
Spielerisch lassen Lord und Newitt über Landkarten zunächst Schiffe, dann auch einen Ballon um die halbe Welt fahren, warten stets mit neuen nicht nur visuellen, sondern auch musikalischen Einfällen auf. Ein Vergnügen für Jung und Alt ist dieser Film, weil er nicht als kalte Retortenproduktion daherkommt, sondern spürbar eine „Labour of Love“ ist. Diese Liebe und Leidenschaft überträgt sich aber direkt auf den Zuschauer, macht „Die Piraten“ charmant und warmherzig und kann aufgrund der zahlreichen Anspielungen und der vielen Details mit Gewinn auch mehrmals genossen werden.