Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Walter Gasperi · 20. Mär 2014 · Film

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Nach Jonas Jonassons Bestseller verbindet Felix Herngren eine komödiantische Krimigeschichte um einen Rentner, der wegen eines Geldkoffers von Drogendealern gejagt wird, mit Blicken in das ereignisreiche Leben des rüstigen 100-Jährigen. – An witzigen Momenten und schwarzem Humor fehlt es zwar nicht, doch die anekdotische Erzählweise kann das Interesse nicht über die ganze Filmdauer aufrecht erhalten.

Mit dem Roman „Der 100-Jährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ gelang dem Schweden Jonas Jonasson 2009 ein völlig überraschender Erfolg. In Deutschland stand das Erstlingswerk 32 Wochen lang auf Platz eins der „Spiegel“-Bestsellerliste, die Übersetzungsrechte wurden bislang in 35 Länder verkauft.
Angesichts dieses Erfolgs war eine Verfilmung nur eine Frage der Zeit, wird dadurch doch einerseits nochmals der Absatz des Buches angekurbelt, andererseits kann auch der Film aufgrund der Popularität der Vorlage auf gute Besucherzahlen hoffen. Bislang ist das Rezept aufgegangen, denn in Schweden hat „Der 100-Jährige“ den erfolgreichsten Kinostart aller Zeiten hingelegt und in ganz Skandinavien in den ersten zehn Wochen zwei Millionen Zuschauer ins Kino gelockt.

Franco, Stalin und der Mauerfall

Der schwedische TV-Regisseur und Comedian Felix Herngren erzählt nach Jonassons Bestseller von Allan Karlsson, der an seinem 100. Geburtstag aus dem Altersheim abhaut, am Bahnhof zufällig zu einem Koffer mit Geld kommt und deshalb bald nicht nur von einem trotteligen Polizisten gesucht, sondern auch von Drogendealern gejagt wird. Eingebettet in das Roadmovie durch Schweden, in dessen Verlauf Karlsson mehrere skurrile Bekanntschaften schließt, sind Rückblenden in das Leben des seit seiner Kindheit sprengstoffbegeisterten Protagonisten.
Ohne selbst wirklich aktiv zu werden, verschlug der Zufall Karlsson um die ganze Welt und ließ ihn zahlreiche Staatsmänner des 20. Jahrhunderts kennenlernen. So rettete er im Spanischen Bürgerkrieg Franco das Leben, gab Robert Oppenheimer den entscheidenden Tipp zur Erfindung der Atombombe, trank mit Vize-Präsident Harry Truman ebenso Whisky wie mit Stalin Wodka, agierte bald als sowjetisch-amerikanischer Doppelagent und war auch am Fall der Berliner Mauer nicht unbeteiligt.

Viele Gags, aber keine zwingende Dramaturgie

Obwohl Herngren die China- und Indonesien-Abenteuer Karlssons gestrichen hat, ist dieser Mix aus „Forrest Gump“ und „Zelig“ übervoll an Episoden. Exzessiv eingesetztes Voice-over der Hauptfigur ist hier nötig, dass der Zuschauer den Überblick bewahrt. Trefflich besetzt ist die Hauptrolle mit dem Komiker Robert Gustafsson, an schwarzem Humor, aberwitzigen Korrekturen der Zeitgeschichte und skurrilen Typen wie dem alles andere als intelligenten Bruder Albert Einsteins fehlt es nicht und sogar eine Elefantendame mischt mit.
Einen eigenen Blick auf die Vorlage lässt Herngren allerdings vermissen, beschränkt sich auf die Bebilderung der im Roman geschilderten Ereignisse. Ihre Überfülle und der permanente Wechsel zwischen Gegenwart und Rückblenden machen es freilich unmöglich einzelne Episoden plastischer zu entwickeln und Figuren differenzierter zu zeichnen. Auch wenn sich die Ereignisse auf der Gegenwartsebene gegen Ende hin zuspitzen, so setzt Herngren insgesamt doch mehr auf die Wirkung einzelner Szenen als auf konsequenten Handlungsaufbau. Zwar sorgen die zahlreichen Gags immer wieder für Lacher, doch in der einförmigen Erzählweise ermüdet diese Bestsellerverfilmung. Und auch die Aufforderung, die Dinge einfach auf sich zukommen statt mit Grübeln das Leben vorüberziehen zu lassen, gewinnt bei dieser skurrilen Nummernrevue keinen Nachdruck.