Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Gunnar Landsgesell · 05. Jän 2018 · Film

Das Leuchten der Erinnerung

Ein älteres Paar (Helen Mirren, Donald Sutherland) macht sich zu einer letzten Reise in den Süden Floridas auf. Er hat Alzheimer und sie möchte sich bei ihm in Erinnerung rufen. Ein sentimentaler Trip in das Land des Vergessens.

Wenn ein Alzheimer-Patient mal seine eigene Ehefrau nicht mehr erkennt, dann kann das ein tragisches Ergebnis dieser Erkrankung sein, oder, wie in „Das Leuchten der Erinnerung“, eher wie ein alter Hut wirken. Diese und ähnliche Pointen zählen wohl zum Standard-Repertoire einer Geschichte, die krankheitsbedingt vom Vergessen handelt. Geradezu pflichtschuldig löst der italienische Regisseur Paolo Virzi sie in dieser US-amerikanischen Produktion ein. Ella Spencer (Helen Mirren) macht sich mit ihrem an Alzheimer erkrankten Partner John (Donald Sutherland) zu einer letzten Reise auf, während die erwachsenen Kinder, die nicht informiert wurden, über die Torheit ihrer Eltern einigermaßen beunruhigt sind. Das alte Paar mottet sein vorsintflutliches Wohnmobil, den „Leisure Seeker“, aus, setzt eine beindruckende Abgaswolke frei und startet Richtung Süden. Das Ziel ist Key West, die letzte der Inselgruppen in Florida, wo Ella ihrem Mann, ein früherer Literaturprofessor, einen Lebenstraum erfüllt: das Haus von Ernest Hemingway zu besuchen. An jedem Abend richten sie sich auf einem Campingplatz ein. Dann projiziert Ella auf ein aufgespanntes Leintuch Dia-Aufnahmen von früher, um Johns Gedächtnis aufzuhellen. Ein verständlicher Plan, ein nettes Unternehmen, eine sentimentale Reise. So präsentiert sich auch „Das Leuchten der Erinnerung“.

Wenig Fahrtwind


Donald Sutherland bereicherte während seiner langen Karriere Produktionen wie „Die Körperfresser kommen“, „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ oder den Paranoia-Thriller „Klute“ mit einer gewissen Exzentrik. Das lässt sich auch von Helen Mirren sagen, denkt man an Filme wie Greenaways „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ oder „The Queen“. Zwei Schauspieler, denen man trotz der dahinplätschernden Handlung immer noch gerne zusieht. Ideen, Überraschungen sind freilich nicht eingeplant. Selten, dass ein Schalk die Betulichkeit dieses Reisefilms unterbricht. Etwa, wenn der alte linksliberale Uni-Prof. sich selbstvergessen einer „Make America Great Again“ Demo anschließt. Komisch, wenngleich unfreiwillig, ist auch, wenn Helen Mirren eine Frau aus South Carolina spielt, ihr breiter Südstaaten-Slang aber immer wieder durch ein paar sehr britisch klingende Töne hintertrieben wird. Viele Szenen wirken bei Virzi nur angebrochen, wie Einfälle, die man gleich wieder verwirft. Ein Überfall auf das Paar zählt zwar nicht zum dramatischsten Moment des Films, wirkt aber irgendwie symptomatisch für dessen Unentschiedenheit. Wovon soll diese Reise berichten, außer die letzten Dinge, die allesamt ein früheres Leben betreffen, noch einmal zu beschwören? Immerhin zeigt sich Amerika nicht von seiner schlechtesten Seite gegenüber Pensionisten. Da lauscht schon mal eine gestresste Kellnerin den Ausführungen des alten Literaturliebhabers und ein prekär wirkender Rezeptionist am Beach Club aktiviert seinen Bruder, um den verlustig gegangenen Ehemann einzufangen. Aber nichts auf dieser letzten Reise scheint hier dem Zufall überlassen zu sein. Auch das Ende nicht, dafür sorgt der verlässliche, alte "Leisure Seeker".