"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Anita Grüneis · 20. Mär 2017 · Film

Anders Veiel im TAK - Geld ist kein Wirtschaftswert

Der Autor, Film- und Theaterregisseur gab in Schaan einen Einblick in sein Schaffen, sein Engagement und einen Ausblick auf seinen neuesten Film über Joseph Beuys, der im Mai in die Kinos kommt. „Wir melken die Kuh, solange sie Milch gibt“, hieß die Veranstaltung, die das Kunstmuseum in Kooperation mit dem TAK veranstaltete. Der Titel geht auf Gudrun Ensslin zurück, die den Ausdruck „Himbeerreich“ als Synonym für eine konsumorientierte Warenwelt verwendete. „Das Himbeerreich“, so nannte Anders Veiel auch sein Theaterstück, das er aus einer Interviewsammlung mit 24 ehemaligen Bankvorständen entwickelte.

Im TAK las Anders Veiel einige Passagen aus diesem Stück vor und ließ dabei einige Banker zu Wort kommen. Er stellte einem der ehemaligen Vorstände auch die Frage, was mit einer Kuh zu tun ist, die keine Milch mehr gibt? „Auf diese Kuh wurde schon lange davor gewettet und es gibt dann eben dafür Geld“, meinte der Banker. Die Krise selbst wird in den Banken als Modus genommen und entsprechend eingesetzt. „Das Geld sucht sich den Ort, wo es sich am besten vermehren kann”, zitierte der Autor seine Gesprächspartner, „und es ist nicht dort, wo es gebraucht wird.“  Veiel berichtete von seinen Gesprächen im „Sterbehaus“ der Deutschen Bank in Frankfurt, dem kleinen Anbau im Schatten der beiden Türme, wo die ehemaligen Vorstandsmitglieder immer noch täglich in einem Büro sitzen dürfen, obwohl sie nichts mehr zu bestimmen haben. Bei den Interviews wurde absolutes Stillschweigen vereinbart, es „war eine Sackgasse des Kunsttempels, da alles nicht verwendet werden durfte“, so Veiel. 

Kein Herdentier sein


Das System des kompletten Schweigens habe ihn erschreckt, alle wussten wie die Krise 2008 entstanden ist, allen war klar, was in den faulen Krediten steckte, die dann, mit einem Tripel A versehen, teuer verkauft wurden. „Bewusstsein und Intelligenz gehen längst getrennte Wege“, so Veiel. „Gute Führung bedeutet zu schauen, wo die Herde hin will und dann rechtzeitig das Weite zu suchen, wenn sie auf den Abgrund zusteuert.“ Das Finanzsystem sei eine gigantische Umverteilungsmaschine, auf den Zusammenbruch des Gesamtsystems wird bereits gewettet – siehe Kuh ohne Milch.


Von den richtigen Fragen


„Joseph Beuys stellte schon vor 30 Jahren die richtigen Fragen“, meinte Anders Veiel zu seinem neuen Dokumentarfilm „Beuys“, der bereits auf der Berlinale zu sehen war. In der Vorarbeit zu diesem Film habe er viele Stunden im Archiv verbracht, das Material auf sich wirken lassen und dann erst entschieden, einen Dokumentarfilm zu drehen. „Die Recherche ist eine offene Reise mit Überraschungen“, so Veiel. Die „richtigen Fragen“ waren beispielsweise, ob wir dazu befähigt sind, die Zukunft und die Gesellschaft zu gestalten. Beuys sei damals davon ausgegangen, dass jeder Mensch ein Künstler ist, das heißt, er hat die Fähigkeit, die Gesellschaft zu gestalten. Zudem sei heute schon klar, dass in rund 20 Jahren ungefähr die Hälfte aller Jobs wegfallen werden. Was machen wir dann? Da ist der Beuys Satz - „Geld ist kein Wirtschaftswert“ - aktueller denn je, zum Beispiel bei der Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Anders Veiel bemängelte vor allem, dass Aufmerksamkeit heute eine Währung geworden ist. Wer am meisten Clicks hat, hat Erfolg, es wird aber nie auf zehn oder zwanzig Jahre hinausgedacht.
Der Abend im TAK gab tiefe Einblicke in ein Finanzsystem, das völlig verwoben mit der Politik funktioniert und einen Künstler, der seit 31 Jahren tot ist, der über Geldkreisläufe nachgedacht hatte und die richtigen Schlüsse zog, die aber nie umgesetzt wurden.