Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Walter Gasperi · 05. Feb 2012 · Film

Aktuell in den Filmclubs (6.2. - 12.2. 2012)

Das Filmforum Bregenz zeigt diese Woche im Metrokino Bregenz Pedro Almodóvars kühnen Mix aus Horror- und Psychothriller „Le piel que habito - Die Haut in der ich wohne“. Am Spielboden Dornbirn wird die „Filmreihe Psychische Krankheiten“ mit dem Dokumentarfilm „Schnupfen im Kopf“ fortgesetzt. Die Filmemacherin Gemma Bak dokumentiert darin ihre eigene langjährige „paranoide halluzinatorische Psychose“.

Le piel que habito - Die Haut, in der ich wohne: Wenn im Mittelpunkt eines Films ein Schönheitschirurg steht, muss der Film selbst fast zwangsläufig auch nach Schönheit streben. So erlesen wie die Privatklinik von Robert Ledgard (Antonio Banderas) ausgestattet ist, so elegant sind denn auch die Bilder von Pedro Almodóvars neuem Film, so brillant, und gleichzeitig immer auch nahe an einer Werbefilm-Ästhetik die Farbdramaturgie. Doch hinter makellosen Oberfläche verbergen sich wieder einmal Abgründe. Nichts erfährt man nämlich zunächst über Vera (Elena Anaya), Ledgards einzige Patientin – oder ist es seine Gefangene? Erst in Rückblenden werden Zusammenhänge klar und „Die Haut, in der ich wohne“ entwickelt sich zu einem kühnen – man könnte auch sagen verstiegenen - Psychothriller um eine maßlose Rache.
An Mary Shelleys „Frankenstein“ orientiert sich Almodóvar bei dieser Verfilmung von Thierry Jonquets 1984 erschienenem Roman „Mygale“ ebenso wie erklärtermaßen an Georges Franjus Horrorfilm „Les yeux sans visages“ und an Hitchcocks „Vertigo“. Als Kolportage kann man die kühn konstruierte Story bezeichnen, doch in der ebenso eleganten wie konsequenten Inszenierung wird das Trashige neutralisiert.
Man spürt nämlich in jeder Szene, dass es Almodovar ernst meint. Das Übersteigerte der Geschichte erinnert dabei zwar an seine grellen frühen Filme, doch arbeiten die kühle Inszenierung und die Schauspielerinnen dieser Exaltiertheit entgegen. Zurückhaltend spielt nicht nur Antonio Banderas, der einst von Almodóvar entdeckt wurde und nun nach 21 Jahren und Hollywood-Karriere wieder in einem Film des Spaniers die Hauptrolle spielt, sondern das ganze Ensemble. – Emotional wird man zu diesem kalten Film kaum einen Zugang, aber die Meisterschaft der filmischen Gestaltung muss man bewundern.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 8.2., 20 Uhr; Do 9.2., 20 Uhr; Fr 10.2., 22 Uhr; Sa 11.2., 22 Uhr


Schnupfen im Kopf: 1995, im Alter von 30 Jahren, erlitt die Filmemacherin Gemma Bak einen Nervenzusammenbruch. Die Ärzte diagnostizierten eine „paranoide halluzinatorische Psychose“. Sechs weitere Krisen folgten in den folgenden 14 Jahren. Schon 2002 begann Bak ihre Krankheit über sieben Jahre filmisch zu dokumentierten, bietet in Selbstinterviews und Aussagen von Freunden, Bekannten und Verwandten Einblick in ihr Empfinden und ihre Wahrnehmung. Experten kommen nicht zu Wort, auch auf Ursachensuche wird weitgehend verzichtet, auch wenn einmal die Rastlosigkeit mit Kindheit in Marburg als Tochter ungarischer Migranten, Übersiedlung nach Vancouver und Rückkehr nach Deutschland angesprochen wird.
Ruhig und nüchtern ist die Erzählweise, zeichnet aber nicht chronologisch die Krankengeschichte nach, sondern springt – durch Inserts getrennt - zwischen den Zeiten hin und her. Eingeschnitten zwischen die Interviews sind auch Ausschnitte aus Videofilmen, die Bak vor Ausbruch der Krankheit drehte, und immer wieder Detailaufnahmen von ihrem durch die zahlreichen Medikamente aufgedunsenen und frühzeitig gealterten Gesicht.
Ehrlich und offen ist dieser Dokumentarfilm, frei von jeder Larmoyanz, funktioniert – wie die Schlussaufnahmen zeigen, in denen die Kamera vor der entschlossen vorwärts schreitenden Regisseurin zurückweichen muss - nicht nur als Selbsttherapie, sondern kann auch Angehörigen von an einer Psychose Leidenden helfen und wesentlich zur Entstigmatisierung dieser Krankheit beitragen.
Spielboden Dornbirn: Do 9.2. + Do 15.3. - jeweils 20.30 Uhr