Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 04. Sep 2014 · Film

Aktuell in den Filmclubs (5.9. - 11.9. 2014)

Im Rahmen der "Walser Filmtage" wird in Anwesenheit von Erich Langjahr neben seinem neuesten Film "Mein erster Berg" der Dokumentarfilm "Geburt" gezeigt, den der Innerschweizer zusammen mit Silvia Haselbeck drehte. Die Artenne Nenzing startet dagegen mit Lucy Walkers Dokumentarfilm "Waste Land" eine Filmreihe, in deren Rahmen ebenfalls "Mein erster Berg" zu sehen sein wird.

Geburt: Silvia Haselbeck dokumentiert zusammen mit ihrem Mann Erich Langjahr  das Wunder von Schwangerschaft und Geburt. Auf Off-Kommentar wird verzichtet, im Mittelpunkt steht die geduldige und genaue Beobachtung. Hautnah begleitet die Kamera in langen, zumeist statischen Einstellungen zwei schwangere Frauen und ihre Männer auf dem Weg zur Geburt. Anders als Constantin Wulff, der bei „In die Welt“ in Direct-Cinema-Stil eher kühl protokollierte und auch bürokratische Aspekte beleuchtete, nähern sich Haselbeck/Langjahr entsprechend den sanften Geburten, die sie begleiten, dem Thema mit Feingefühl und Sanftheit. Viel Zeit für die Schilderung von Fußmassage, Akupunktur, Schwangerschaftsgymnastik und Ultraschall, bei dem man das Herz mächtig schlagen hört, nehmen sie sich und schauen dann auch bei der Geburt hartnäckig zu.
So erlebt der Zuschauer das langsame Wachsen im Mutterbauch, das Werden von Leben als auch die gespannte Erwartung der Eltern intensiv mit. Eindrücklich, geradezu quälend vermittelt werden aber auch die Schmerzen, die das Gebären bereitet, um darauf dann aber auch wieder die Freude zu zeigen, die bei Mutter, Vater und Hebamme das beglückende erste Blinzeln, ein Gähnen und Greifen des Neugeborenen auslöst.
Im völlig natürlichen Agieren der Paare, sowie der Hebammen und einer Geburtsvorbereiterin vor der Kamera spürt man, welches Vertrauensverhältnis zwischen Filmemachern und Gefilmten bestanden haben muss. Vermieden wird durch dieses Einverständnis zwischen allen Beteiligten auch jeder Voyeurismus, in den Filme bei einem so intimen Thema allzu leicht abgleiten.
Geroldhus, St. Gerold:
Mi 10.9., 18 Uhr (in Anwesenheit von Erich Langjahr)

Waste Land: Neben Mano Khalils „Der Imker“ (18.9.), Erich Langjahrs „Mein erster Berg“ (25.9.) und Armin Linkes „Alpi“ (9.10.) zeigt die Artenne Nenzing in diesem Herbst auch Lucy Walkers Dokumentarfilm „Waste Land“. Drei Jahre lang begleitete die Britin mit der Kamera den brasilianischen Künstler Vic Muniz, der 2008 beschloss auf einer Mülldeponie in Rio de Janeiro nicht nur Müll in Kunst zu verwandeln, sondern diese Aktion mit einem Sozialprojekt zu verknüpfen. Wie Muniz dabei immer mehr in den Hintergrund tritt und den Müll-„Pflückern“, den so genannten „Catadores“ den filmischen Raum überlässt, überlässt auch Walker den Protagonisten den Raum, bleibt still begleitende Beobachterin.
Sie fängt dabei einerseits das Elend auf der größten Mülldeponie der Welt ein, lässt den Zuschauer den Dreck und Gestank im Kino fast riechen, zeigt andererseits aber auch die Würde der Müllsammler, die stolz auf diese Arbeit sind, die im Gegensatz zu Prostitution und Drogenhandel ein schmutziges, aber ehrliches Geschäft ist. So nah Walker mit ihrer beweglichen Digitalkamera auch an den Menschen dran ist, ihnen auch in ihre armseligen Hütten folgt, so wenig ist der Blick voyeuristisch.
Neben diesem sozialen Aspekt zeigt „Waste Land“ aber auch anschaulich, wie aus dem Müll, den die Protagonisten bald nicht mehr als Müll, sondern als recycelbare Materialien bezeichnen, Kunst werden kann. Eindrücklich vermittelt der Film in Zeitrafferaufnahmen die Entstehung dieser Kunstwerke, die einerseits Porträts der Müllmenschen sind, andererseits klassische Kunstwerke wie Davides „Ermordung von Marat“ nachstellen und drittens den Müll, der ihr Arbeitsfeld ist, ins Kunstwerk einbinden. Kunst und Leben fließen so zusammen und gleichzeitig entwickeln die Protagonisten durch diese künstlerische Tätigkeit auch ein neues Selbstbewusstsein.
Die Person von Muniz, der sich mit Projekt und Film ein Denkmal als großer Meister und Macher im Hintergrund setzt, hinterfragt Walker allerdings nicht: Sie  lässt stehen, was er sagt, und lässt ihn sich groß präsentieren. – Aber wie Muniz´ Fotoserie „Pictures of Garbage“ dient ja auch der Film einem guten Zweck, und so darf man dagegen wohl kaum Einwände erheben.
Artenne Nenzing: Do 11.9., 19.30 Uhr