Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 25. Okt 2012 · Film

Aktuell in den Filmclubs (26.10. - 1.11. 2012)

Zu einer Reise durch das nächtliche Europa lädt der österreichische Dokumentarfilmer mit „Abendland“ ein, der diese Woche am Spielboden Dornbirn gezeigt wird. In der Kammgarn Hard steht dagegen mit „Cache“ ein Meisterwerk von Michael Haneke auf dem Programm.

Abendland: Doppeldeutig ist der Titel, meint er doch einerseits Europa, anderseits aber auch ganz konkret den Kontinent nicht nur am Abend, sondern mehr noch bei Nacht.
An über 70 Orten hat Nikolaus Geyrhalter gedreht, bietet in den für ihn typischen statischen und genau kadrierten Plansequenzen einen Einblick in das heutige Europa, wirft dabei aber auch immer wieder die Frage auf, was diesen Kontinent, aber auch das Leben der Menschen heute ausmacht. Der Bogen der Szenen spannt sich von der Überwachung der Außengrenzen bis zu einer Station für Frühgeburten, von Disco-Tempeln bis zur Räumung eines Lagers von Roma, vom Bau des Eurofighters als Inbegriff des Verteidigungswillen des Kontinents bis zur Liebesarbeit in einem Erotikzentrum.
Im Zusammenprall der Momentaufnahmen ergibt bei diesem assoziativen Bilderfluss die Summe immer mehr als das Einzelne. Geyrhalters Blick ist dabei nüchtern und kühl. Er vertraut ganz auf seine großartigen ungemein tiefenscharfen und klaren Nachtaufnahmen. Dieser Blick entspricht freilich auch kongenial der kalten und emotionslosen Stimmung Europas. Der Zuschauer bleibt hier immer distanzierter Betrachter, der aber durch den Zusammenprall des Disparaten zum Denken angeregt wird. Trotz dieser ansatzlosen Abfolge von völlig Unterschiedlichem zerfällt „Abendland“ aber nicht in Einzelteile, sondern vermittelt gerade dadurch einen Eindruck von der Vielschichtigkeit Europas.
Spielboden Dornbirn: Di 30.10. + Do 1.11. - jeweils 20.30 Uhr


Caché: Ein Pariser Fernsehmoderator erhält anonyme Videobänder, die die Beobachtung seines Hauses dokumentieren. Durch diese nicht fassbare äußere Bedrohung baut sich einerseits ein psychischer Druck auf, an dem die scheinbar heile Familie des Moderators zu zerbrechen droht, andererseits bringen die Recherchen eine verdrängte Vergangenheit zu Tage.
In der Form eines Thrillers, der in seiner linearen Erzählweise und den glasklaren Bildern scheinbar alles offen legt und doch entsprechend dem Titel vieles im Verborgenen lässt, reflektiert Michael Haneke auf mehreren Ebenen über Vertrauen und die Verunsicherung, die die Aufhebung dieses Vertrauens auslöst. Wie die Vermischung von Überwachungsvideos und „realem“ Film die Authentizität von Bildern in Frage stellt und den Zuschauer verunsichert, so erschüttert die Einsicht in die verdrängte Schuld des Mannes das Vertrauen innerhalb der Ehe und Familie. Da diese Schuld zudem in einen historischen Kontext gestellt wird, geht der stringent inszenierte und hervorragend gespielte Film weit über das Private hinaus und diskutiert auch die Rolle und die Folgen von Schuld und Verdrängung im gesellschaftlichen Bereich.
Kammgarn Hard: Mi 31.10., 20.30 Uhr