Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 25. Jul 2019 · Film

Aktuell in den Filmclubs (26.7. - 1.8. 2019)

Beim Open-Air in Altstätten wird diese Woche unter anderem Caroline Links beglückende Adaption von Hape Kerkelings autobiographischem Roman „Der Junge muss an die frische Luft“ gezeigt. Beim Open-Air des Kunsthaus Bregenz steht dagegen Agnés Vardas ungeschminktes Meisterwerk „Sans toit ni loi – Vogelfrei“ auf dem Programm.

Der Junge muss an die frische Luft: Caroline Link verfilmte mit viel Feingefühl und ganz auf Augenhöhe mit dem neunjährigen Protagonisten Hape Kerkelings autobiographischen Roman über seine Kindheit im Recklinghausen der frühen 1970er Jahre.
Beglückend ist dieser Film, weil die Oscar-Preisträgerin Link ("Nirgendwo in Afrika") jeden Ton trifft, weil sie ihren Film locker und unbeschwert beginnen lässt, eindrücklich die Stimmung einer sorgenfreien Kindheit beschwört, bis sich langsam dunklere Töne darunter mischen. Auch schwere Schicksalsschlage und größte Trauer spart Link nicht aus, schafft aber immer wieder die Kurve ins Optimistische.
Das Credo „Das Leben muss weiter gehen“ verbreitet der Film dabei auch durch seine Inszenierung, beschönigt nichts, taucht tief ein in die Psyche eines Kindes ein, verbreitet aber trotz allem Lebensfreude und beschwört die Kraft und Bedeutung des Humors, der vieles leichter ertragen lässt.
Mit sorgfältiger Ausstattung verankert Link die Handlung atmosphärisch stimmig in Milieu und Zeit, kann aber auch und vor allem auf einen großartigen Cast vertrauen. Eine Idealbesetzung ist der junge Julius Weckauf als Hans Peter alias Hape, aber treffend besetzt sind auch die fürsorglichen Großeltern, die Onkel und Tanten, der Vater, den die Arbeit ganz in Anspruch nimmt, und die immer mehr in eine Depression fallende Mutter.
Man spürt in jeder Szene auch die Liebe Links zu ihren Figuren und das Herzblut, das sie in diesen Film gelegt hat. – Ganz entscheidend trägt dies und das Brennen für den Stoff zur Überzeugungskraft dieser bewegenden Tragikomödie bei.
Open-Air auf dem Sportplatz Altstätten: Mo 29.7., 21.30 Uhr

 

Sans toit ni loi - Vogelfrei: Jeder Künstler der heurigen KUB-Ausstellungen durfte für das Open-Air einen Lieblingsfilm auswählen. Miriam Kahn entschied sich für Agnés Vardas 1985 in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnetes Drama. Ähnlich wie Orson Welles im Klassiker „Citizen Kane“ rekonstruiert die im Frühjahr verstorbene Französin ausgehend vom Fund einer nachts erfrorenen Landstreicherin in einem Weinberg mittels kurzen Rückblenden, Zeugenaussagen und Gesprächsfetzen verschiedener Personen, denen die Vagabundin begegnete, die letzten Wochen des Lebens dieser schroffen jungen Frau, die überall aneckte und sich jeder sozialen Anbiederung verweigerte.
Getragen von einer großartigen Sandrine Bonnaire in der Hauptrolle wirft der in quasidokumentarischem Stil inszenierte Film, dessen winterliche Kälte auch mit der sozialen Kälte korrespondiert, dabei die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins unter gegenwärtigen zivilisatorischen und natürlichen Lebensbedingungen auf.
Open-Air beim Kunsthaus Bregenz: Mi 31.7., 21 Uhr

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