Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Walter Gasperi · 24. Mär 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (25.3. - 31.3. 2022)

Das TaSKino Feldkirch zeigt diese Woche Kenneth Branaghs autobiographisch inspirierte Kindheitserinnerung „Belfast". Am Spielboden Dornbirn brilliert in „Swan Song" Udo Kier als homosexueller Friseur, der einen letzten Auftrag erledigen muss.

Belfast: Heil scheint die Welt des neunjährigen Buddy (Jude Hill), wenn er im August 1969 in seinem Belfaster Wohnviertel auf der Straße mit Holzschwert und Kinderschild gegen Drachen kämpft. Doch abrupt bricht mit dem Auftreten eines aggressiven protestantischen Mob Gewalt ein: Molotov-Cocktails und Pflastersteine fliegen, Fensterscheiben werden eingeschlagen und die Mutter (Caitriona Balfe) rettet Buddy ins Haus. Friedlich lebte die protestantische Familie bislang neben Katholiken, doch nun spitzt sich die Lage zu.
Mit Stacheldraht und Barrikaden werden Straßensperren errichtet, England schickt Truppen nach Nordirland. Beim Betreten des Straßenzugs müssen die Bewohner:innen sich jeweils ausweisen. Auch Buddys Vater, der in England in der Baubranche arbeitet und nur alle zwei Wochen zu seiner Familie heimkehrt, muss darum kämpfen, durchgelassen zu werden.
Den historischen Hintergrund des Nordirland-Konflikts spart Kenneth Branagh aus. Er erzählt konsequent aus der Perspektive Buddys, der das Alter Ego des 1960 in Belfast geborenen Regisseurs ist. Im Hintergrund bleibt so auch der aktuelle politische Konflikt, der freilich immer wieder abrupt und brutal hereinbricht, im Zentrum steht aber die Familien- und Coming-of-Age-Geschichte.
Produktionstechnisch ist das, was Ausstattung und Kostüme betrifft, auf höchstem Standard, brillant sind auch die gestochen scharfen Schwarzweißbilder, bei denen man jeden Regentropfen und jede Falte in Judi Denchs Gesicht sieht, großartig die zahlreichen Songs von Van Morrison. Auch schauspielerisch gibt es nichts zu klagen.
Doch all diese Qualitäten können letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich kein richtiger Erzählfluss einstellen will. Wohl ein bisschen übernommen hat sich Branagh bei diesem sichtlich mit Herzblut gedrehten Film, will zu viel und hat den Stoff nicht ganz in den Griff bekommen. Abrupt wechseln immer wieder Szenen, wird bald dieser Aspekt ins Spiel gebracht und bald jener – nur zu einer wirklich runden Erzählung will sich „Belfast" nicht fügen.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Fr 25.3. + Sa 26.3., jeweils 22 Uhr; Mo 28.3., 18 Uhr

Swan Song: Großes Solo für Udo Kier: Der legendäre deutsche (Neben)darsteller brilliert als gealterter Friseur, der aus dem Seniorenheim abhaut, um eine verstorbene Kundin für die Beerdigung schön zu machen.
Inspirieren ließ sich Regisseur Todd Stephens zu seinem Film von autobiographischen Erfahrungen, denn den Friseur Pat Pitsenbarger gab es tatsächlich, war Friseur in Stephens´ Heimatstadt Sandusky, Ohio und half als Wegbereiter in der schwulen Community der konservativen Kleinstadt mit seinen extravaganten Auftritten auch dem Regisseur bei seinem Coming-Out.
Nicht nur diesem 2012 verstorbenen Idol setzt Stephens mit diesem Film, mit dem er seine mit „Edge of Seventeen" und „Gypsy 83" begonnene „Sandusky"-Trilogie abschließt, aber ein Denkmal, sondern auch seiner Heimatstadt und reflektiert wehmütig über deren Wandel und das Verschwinden des Alten.
Ein Vergnügen ist es, dabei einfach Kier bei seiner Reise durch die Kleinstadt zuzusehen. Er genießt es sichtlich, sich als „Liberace von Sandusky" riesige Ringe an die Finger zu stecken, einen hellgrünen Hosenanzug anzuziehen, mit einem elektrischen Rollstuhl den Verkehr aufzuhalten oder sich bei einem herrlichen Drag-Auftritt einen Kronleuchter aufzusetzen.
So sehr Kier „Swan Song" aber auch den Stempel aufdrückt und ihn trägt, so sehr sollte man doch auch die Kurzauftritte anderer Legenden nicht übersehen. Linda Evans, die in den 1980er Jahren als „Biest" in der TV-Serie „Denver Clan" berühmt wurde, erscheint hier als verstorbene Rita Parker Sloan ebenso wie die aus der „American-Pie"-Filmreihe bekannte Jennifer Coolidge als Besitzerin eines Schönheitssalons.
Bestens passt die Wahl dieser fast vergessenen Schauspieler:innen zum Bedauern über das Verschwinden des Alten. Doch geht es auch um Verlust und Tod, so bleibt „Swan Song" dank des mitreißenden Spiels Kiers und des warmherzig-liebevollen Blicks des Regisseurs doch ein sehr witziger und positiver Film, der Lebensfreude verbreiten und zu einem befreiten Leben anregen will.
Spielboden Dornbirn: Sa 26.3., 17 Uhr

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