Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 19. Mai 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (20.5. - 26.5. 2022)

Mit "Loving Highsmith" steht diese Woche am Spielboden Dornbirn ein vielschichtiges Porträt der amerikanischen Schriftstellerin Patricia Highsmith auf dem Programm. Im Heerbrugger Kinotheater Madlen bietet dagegen das sozialrealistische Drama "A Chiara" einen packenden Einblick in die süditalienische Mafia `Ndrangheta.

Loving Highsmith: Für Jahreszahlen und exakte Fakten interessiert sich Eva Vitija in ihrem Dokumentarfilm über die amerikanische Autorin Patricia Highsmith (1921 – 1995) kaum. Sie steigt zwar mit Highsmiths Erfolg mit dem Roman „Strangers on a Train" ein, den Alfred Hitchcock nur ein Jahr nach seinem Erscheinen 1951 verfilmte, und blickt erst anschließend auf ihre Kindheit und Jugend, doch davon abgesehen wird ihr Leben chronologisch nachgezeichnet. Fließend wechselt Vitija dabei immer wieder zwischen Privatleben und literarischem Schaffen.
Auszüge aus den Tage- und Notizbüchern der großen Autorin, die von Gwendoline Christie gelesen werden, bieten Einblick in ihre Gedanken unter anderem zu Homosexualität, zur schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter sowie zu Kreativität und Inspiration. Dieser Innensicht steht die Außenperspektive mit Interviews mit ihren Liebhaberinnen Marijane Meaker, Monique Buffet und Tabea Blumenschein gegenüber. Herzstück und Rückgrat von „Loving Highsmith" sind diese Szenen, die nicht nur ein Bild der Privatperson und ihres wilden Lebens in New Yorker und Pariser Gay-Clubs vermitteln, sondern auch einen Eindruck davon geben, welches Doppelleben und welche Verheimlichung lesbische Identität in den 1950er und 1960er Jahren erzwang.
Auf der dritten Ebene kommt das literarische Schaffen dazu, bei dem immer wieder Passagen aus den Romanen Szenen aus den zahlreichen Verfilmungen wie Anthony Minghellas „The Talented Mr. Ripley", Wim Wenders´ „Der amerikanische Freund" oder Todd Haynes´ „Carol" unterlegt sind.
In jeder Szene spürt man, mit welcher Liebe und Sorgfalt dieser poetische Dokumentarfilm gestaltet ist und sie lassen ahnen, welche akribische Arbeit hier drin steckt. Vielfältiges Material von den Interviews mit den Liebhaberinnen und Schwarz-Weiß-Fotos der Porträtierten über TV-Interviews und Ausschnitte aus Verfilmungen bis zu Highsmiths Tagebuchaufzeichnungen verwebt Vitija in bestechender Montage zu einem rund dahinfließenden Ganzen und zu einem vielschichtigen Bild dieser großen Autorin, die als zentrales Thema ihrer Romane die Frage der Schuld nannte.
Spielboden Dornbirn: Mi 25.5., 19.30 Uhr

A Chiara:  Die 15-jährige Chiara (Swamy Rotolo) scheint in einer heilen Welt aufzuwachsen, bis der Teenager entdeckt, dass ihr Vater für die süditalienische Mafia ‘Ndrangheta arbeitet.
Dichte entwickelt „A Chiara" nicht nur durch die Verankerung im authentisch geschilderten Milieu und das starke Spiel von Swamy Rotolo, sondern auch durch Jonas Carpignanos zupackende Inszenierung. Hautnah folgen der 38-jährige Regisseur und sein Kameramann Tim Curtin Chiara immer wieder mit der Handkamera auf ihren Wegen, aber auch durch den dynamischen Schnitt entwickelt dieses sozialrealistische Drama großen Drive und zieht ins Geschehen hinein.
Mit dem wiederkehrenden Wechsel von Kamerablicken auf Chiaras Gesicht und dem, was der Teenager sieht, schwört Carpignano das Publikum auch ganz auf die Perspektive der Protagonistin ein. Unmittelbar miterleben kann man so die zunehmende Verunsicherung und Zerrissenheit Chiaras. Immer ist man nur auf ihrem Wissensstand, gewinnt erst zusammen mit ihr langsam Einblick in die Geschäfte des Vaters.
Bruchlos fließen dabei Coming-of-Age-, Familien- und Mafiageschichte ineinander und mit der konsequenten Fokussierung auf die Familie wird auch eine packende Innensicht der Praktiken der ‘Ndrangheta vermittelt.
Gewaltszenen spart Carpignano dabei ebenso aus wie weitgehend die Außenwelt und fesselt gerade durch die Reduktion und die Engführung der Handlung. Verstärkt wird die düstere Stimmung dabei auch durch zahlreiche Nachtszenen, während andererseits Sounddesign und markanter Einsatz von Zeitlupe einzelne Szenen immer wieder verdichten und die Spannung erhöhen.
Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 23.5., 20.15 Uhr