Anna Hints‘ preisgekrönter Dokumentarfilm „Smoke Sauna Sisterhood“ ist derzeit in den Vorarlberger Kinos zu sehen.
Walter Gasperi · 09. Sep 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (10.9. - 16.9. 2021)

Der FKC Dornbirn zeigt diese Woche mit dem rumänischen Spielfilm "Bad Luck Banging or Loony Porn" den Sieger der heurigen (virtuellen) Berlinale. Die LeinwandLounge in der Remise Bludenz startet nach der Sommerpause mit dem spanischen Feelgood-Movie "Rosas Hochzeit" in die neue Saison.

Bad Luck Banging or Loony Porn: Ein privater Pornofilm einer Lehrerin gerät ins Internet und löst heftige Proteste der Eltern der Schüler*innen aus. – Das ist der Grundplot von Radu Judes Satire, doch der Rumäne nutzt diese, um ausgehend vom Hardcore-Amateurvideo in drei Teilen zu diskutieren, was denn im heutigen Rumänien – und wohl in der westlichen Welt im Allgemeinen – wirklich obszön ist, und nach den Grenzen von Privatheit und Öffentlichkeit zu fragen.
Im ersten Teil, der den Titel "Einbahnstraße" trägt, folgt Jude seiner Protagonistin in dokumentarischem Stil auf ihrem Fußweg zur Schule, blickt auf verfallende Fassaden und großflächige, sexuell aufgeladene Werbeflächen und deckt die leichte Reizbarkeit und die Aggressionen der Bürger*innen auf.
Abrupt bricht das Bukarester Stimmungsbild ab und mit dem Insert "Kurzes Wörterbuch der Anekdoten, Zeichen und Wunder" setzt der zweite Teil ein. Die im ersten Teil begonnene Erzählung wird dabei nicht fortgesetzt, sondern als Essayfilm kommentiert Jude lexikonartig zahllose Begriffe von Geschichte, Krieg, Ceausescu, Haus des Volkes, Rumänisch-orthodoxe Kirche und Jesus bis zu Liebe, Vergewaltigung, Blow-Job, Fotze, Pornographie und Zen. Schwer zu konsumieren ist dieser Abschnitt in der dichten und rasend schnellen Abfolge von erklärenden Textinserts, Archivmaterial und inszenierten Szenen.
Wie eine Klammer spannen sich um diesen Mittelteil der erste Teil und der dritte Teil, in dem unter dem Titel "Praxis und Anspielungen (Sitcom)" die Lehrerin Emi sich vor der Elternversammlung wegen des Pornos verteidigen muss. Bei dem pandemiebedingt im Innenhof der Schule abgehaltenen Treffen entwickelt sich ein heftiger Disput, den Jude praktisch in Echtzeit filmt.
Alles andere als rund ist dieser Film, der im Frühjahr bei der virtuellen Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, sondern eine wütende und auch grelle Abrechnung mit Verhältnissen, die wohl nicht nur Rumänien kennzeichnen. Inserts bieten dem Publikum zwar am Ende an, den Film als Scherz oder als Diebstahl eines Augenblicks zu lesen, doch unzweifelhaft meint es Jude ernst und lässt seine lange zurückhaltende Lehrerin im grotesken Finale zur Nemesis mutieren und zu einem überraschenden Gegenschlag ausholen, der es wieder in sich hat.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 15.9., 18 Uhr + Do 16.9., 19.30 Uhr

 

Rosas Hochzeit: Für alle ist Rosa da und alle spannen sie ein, doch jetzt will die Mittvierzigern ihr Leben mal selbst in die Hände nehmen, ihre Wünsche und Träume in die Tat umsetzen. Zeichen dieser Selbstbefreiung soll eine Hochzeit sein, aber nicht mit einem anderen Mann oder einer Frau, sondern mit sich selbst.
Doch nicht nur von Rosas Wandlung erzählt Iciar Bollain, sondern deckt – ein gewohntes Thema solcher Familienfeiern im Film – auch die Probleme ihrer Geschwister und Tochter auf. Da hat der Bruder mit Eheproblemen und drohender Scheidung zu kämpfen und möchte ohne Rosas Wissen die Schneiderei der Mutter verkaufen, um seine Schule zu vergrößern. Die als Übersetzerin arbeitende Schwester Violeta (Nathalie Poza) hat dagegen mit einem Alkoholproblem zu kämpfen, während Tochter Lidia mit ihren Zwillingen überfordert ist und auch mit dem Umzug nach Manchester nicht zurechtkommt.
Wirklich ausgelotet werden die Probleme nicht und auch die Brüche in der Selbstbefreiung und Selbstfindung Rosas bleiben mild, denn Bollain will ja vor allem gute Stimmung verbreiten und zu einem selbstbestimmten Leben anregen. Das gelingt ihr mit der durch warmes Licht und kräftige Farben evozierten lebensfrohen Sommerstimmung ebenso wie durch die temporeiche Erzählweise und das lustvoll aufspielende Ensemble.
Ein leichthändiges Feelgood-Movie ist der 54-jährigen Spanierin so gelungen, das nicht nur, aber doch vor allem ein weibliches Publikum ansprechen und finden wird und das auch mit viel spanischem Lebensgefühl schwungvoll und flott, aber nie aufdringlich, sondern ganz selbstverständlich in die Handlung integriert seine Botschaft transportiert. So wird warmherzige und rundum sympathische Unterhaltung geboten, die ansteckend dafür plädiert nicht immer an die anderen zu denken, sondern auch auf sein eigenes Wohl zu schauen und seine Träume nicht hintanzustellen und zu verschieben, sondern auch gegen den Willen anderer in die Tat umzusetzen.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 15.9., 19 Uhr

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