Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 11. Sep 2014 · Film

A Most Wanted Man

Er schüttet sich Rum aus dem Flachmann in den Tee und spielt auf seinem Piano Bach. Philip Seymour Hoffman in einer seiner letzten Rollen verkörpert einen vom Leben gezeichneten Geheimdienstler, der zwischen Zynismus und Gerechtigkeit pendelt. Sein Auftrag in diesem bedächtig inszenierten Spionagekrimi: einem jungen Tschetschenen in Hamburg zu folgen, der als islamistischer Terrorist verdächtig ist.

Er ist kein Mann der Apparate, sondern er verficht sein eigenes Berufsethos. Der Spion, den Philip Seymour Hoffman in einer seiner letzten Rollen als vom Leben gezeichneter, übergewichtiger und Tee mit Rum schlürfender Geheimdienstler verkörperte, ist Raubein und Pragmatiker zugleich. Mal lässt Günther Bachmann Personen an geheime Orte entführen, um sie zu zermürben und zur Kooperation zu zwingen, mal spielt er ganz für sich auf seinem Piano Johann Sebastian Bach. Dass Hoffman einen Deutschen spielt, ist das vielleicht verwirrendste Detail dieser ansonsten mäßig komplexen Geheimdienststory aus John Le Carrés Feder. Man muss sich Hoffman als deutschen Spion im Film mehrmals vergegenwärtigen.

Spione unter sich

„A Most Wanted Man“ spielt in Hamburg und gruppiert sich um den jungen tschetschenischen Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin), der von den Russen gefoltert wurde und nun im Verdacht steht, ein islamistischer Terrorist zu sein. Karpov sucht um Asyl in Deutschland an und versucht, beim Bankier Tommy Brue (Willem Defoe) eine stattliche Summe Geld aus der Erbschaft seines Vaters abzuheben. Das macht ihn für die Geheimdienste als möglichen Terror-Finanzier verdächtig. Für Autor John Le Carré ist es vor allem Anlass, um einmal mehr die Ränkespiele der Spionageapparate zu beleuchten. Regisseur Anton Corbijn hat daraus einen echten Slow-Burner gemacht, einen relativ langsam erzählten Spionagekrimi, der die graue Kulisse der Hamburger Hafenstadt aufgreift, um von der eigentlichen Sprödigkeit des Geheimdienstgewerbes (das erinnert an „Dame, König, As, Spion“ 2011) zu berichten: wenig Action, viel Misstrauen, so lautet auch die Formel dieses Films. Etwas dröge fühlt sich zudem der Cast an, den der deutsche Koproduktionspartner eingebracht hat: mit einer deplatziert wirkenden Nina Hoss, Daniel Brühl, Martin Wuttke, Herbert Grönemeyer u.a. durchweht die Inszenierung eine Nüchternheit, die zum an sich brisanten Verdacht des islamistischen Attentäters eine auffällige Distanz bildet. Tatsächlich hat schon der Autor Le Carré deutschen Boden als Handlungsort ausgewählt: Hamburg war die Stadt, in der der 9/11 Attentäter Mohammed Atta lebte. Vorlage für Carrés Figur des verdächtigten Muslims Karpov war aber der Deutsche Murat Kurnaz, der 4,5 Jahre unschuldig in Guantanamo eingesperrt war. Diesen Faden von inneren Zweifeln und kultureller Paranoia aufzugreifen, dürfte Regisseur Corbijn ("Control", "The American") aber nur am Rande interessiert haben. Im Zentrum des Interesses bleibt „A Most Wanted Man“ Genremotiven treu: Hoffman als Figur eines gezeichneten Geheimdienstlers, der Haltung beweist und dabei Gefahr läuft, neuerlich aufgerieben zu werden. Attribute, die auch dem gefeierten Schauspieler nach dessen Ableben zugesprochen werden. In die aufgeräumte Atmosphäre der Hansestadt Hamburg schleicht sich damit doch noch eine gewisse Brüchigkeit ein.