Ein Metal-Abend in Vorarlberg
Die Thrash-Metal-Legenden von Testament wurden bei ihrem Feldkirch-Debut von Sylosis und Havok unterstützt. Bericht eines intensiven Konzertabends.
Nach 37 Jahren Bandgeschichte fand die kalifornische Thrash-Metal-Band Testament das erste Mal für ein Konzert in die Poolbar nach Feldkirch. Was sie ihren Kollegen von Sylosis und Havok voraushatten bzw. auch nicht, war eindeutig erkennbar.
„Einen derart schlagkräftigen Metal-Abend hat Vorarlberg schon länger nicht mehr erlebt“. Mit diesen Worten kündigte das Poolbarfestival die Kalifornische Band Havok, die Briten Sylosis und die Thrash Metal Pioniere Testament an und es wurde nicht zu viel versprochen.
Viel Geschwindigkeit, wenig Überraschung
Havok eröffneten den Abend und wie zu erwarten, brachte die Gruppe jede Menge Energie mit. Zu Beginn war es jedoch alles andere als leicht, den Songs zu folgen, da sogar direkt am Mischpult stehend die Gitarren beinahe vollständig vom überlauten Schlagzeug überdeckt wurden. Erst nach 4 bis 5 Nummern stabilisierte sich das Klangbild, bei dem trotz der suboptimalen Balance zu Beginn noch hervorzuheben sei, dass die Gesamtlautstärke zwar kräftig war, sich aber doch in zivilisiertem, erträglichem Rahmen befand. Und das ist besonders für Konzerte dieses Genres mehr als lobenswert. Die unglaublich schnellen Songs wurden von Havok durchaus präzise vorgetragen, wobei besonders die Drums eine nahezu unbarmherzig treffsichere Basis für den Bandsound boten. Viele der stark von klassischem Thrash-Metal geprägten Songs konnten zwar mit effektvollen Gitarrenriffs und virtuosen Soli, selten aber mit überraschendem Songwriting aufwarten.
Dass Havok durchaus anders könnten, durfte man schon auf ihrem neuesten Album „V“ hören und auch innerhalb des Konzertes war ein Song namens „1984“ zu hören, der den gleichnamigen Roman von George Orwell als Inspiration hat und von deutlich abwechslungsreicheren Passagen und einem vielschichtigeren und in dieser Hinsicht anspruchsvolleren Instrumentalpart geprägt war. Der Leadsänger und Gitarrist David Sanchez beschränkte sich stimmlich fast ausschließlich auf sogenannte Shouts, was leider schon nach wenigen Nummern seinen Reiz verlor und langweilig wurde. Sylosis dagegen konnten später zeigen, dass die Verwendung von gutturalem Screaming nicht automatisch bedeuten muss, dass der Sänger bei jeder Silbe gleich klingt.
Nichtsdestotrotz hat die Band genau das abgeliefert, wofür sie von ihren Fans auch bei diesem Konzert gefeiert wurde und womit sie sich über viele Jahre eine treue und zahlreiche Fangemeinde erspielt haben. Das bedeutet aber auch, dass man bei diesem Konzert nichts verpasst hat, wenn man nicht bereits vorab ein Fan dieser Musikrichtung war. Für den aufgeschlossenen, vielseitigen Musikhörenden, der nicht schon sowieso eine starke Affinität zu genau dieser Art von Metal hat, war Havok daher mit großer Wahrscheinlichkeit keine Offenbarung.
Balsam für die Seelen der Testament-Fans erster Stunde
Testament bewiesen bei ihrem ersten Konzert der Bandgeschichte in Feldkirch eindrucksvoll, dass sie eines der großen Originale sind, denen so viele andere Bands nacheifern und es ist in der Tat erstaunlich, wie aktuell ihre Ende der 80er Jahre vollbrachten Pioniertaten immer noch klingen, wenn man sie mit aktuelleren Schöpfungen auf diesem Gebiet vergleicht (siehe Havok). Das ändert allerdings nichts daran, dass das musikalische Produkt eher wie ein Rohdiamant als ein stimmiges, ausgefeiltes Schmuckstück wirkte.
Gern hätte man sich von den Veteranen noch mehr zeigen lassen, „wie es gehört“. In Bezug auf Bühnenpräsenz, Bandsound und optische Show gelang ihnen das auch ohne Zweifel, doch es wäre von großem Interesse gewesen, wohin ihre jahrzehntelange Erfahrung sie stilistisch gebracht hat. Sprich: wie sie heute, fast 40 Jahren später, den Diamant schleifen würden.
Dass in der gestrigen Show nahezu ausschließlich Klassiker der ersten beiden Alben (The Legacy, 1987; The New Order, 1988) erklangen, war natürlich ein Zugeständnis für die Fans der ersten Stunde, wurde aber auch von jüngeren Fans jubelnd entgegengenommen. Insgesamt ist im Falle von Testament besonders erwähnenswert, dass man den Musikern immer noch ihre große Freude am Spiel anmerkte. Überhaupt war das gesamte Auftreten der Band mit ihrem handgemachten, schnörkellösen und harten Sound zwar energetisch, aber nie von jener gekünstelten Bösartigkeit geprägt, die sich so viele Metal-Acts zu eigen gemacht haben.
Testament ließen auch nach 37 Jahren Bandgeschichte mit einem kraftvollen Thrash-Song nach dem anderen eine unbarmherzige, akustische Dampfwalze über das Publikum rollen.
Aus dieser tranceartigen Betäubung wurde das Publikum stellenweise durch Chuck Billys großartige Screams gerissen, wenn sie denn mal als einzelne Leuchttürme inszeniert wurden. Auch das oasenhaft aufleuchtende, melodische Intro zum Song „Alone in the Dark“ bot eine Abwechslung zu dem sonst recht einförmigen Gehämmer. Vor der Zugabe – nach der die Fans noch minutenlang „one more song!“ skandierten – wurde dem begeisterten Publikum eine baldige Rückkehr nach Feldkirch versprochen („it won’t take us 37 fuckin’ years again to come back here !“). Bei Testament-Enthusiasten wird dieser Abend sicher noch lange in bester Erinnerung bleiben.
Sylosis: Ausholen und Zuschlagen oder wie man Pausen einsetzt
Zwischen diesen beiden Thrash-Metal-Größen präsentierte die Band Sylosis ihre mit deutlicher Melodic-Death-Metal-Würze versehenen Songs in einem beinahe einstündigen Set. Mit pointierten Abschnittswechseln, groovigen, knallharten Breakdowns (deren Wirkung nicht selten mit extra Sub-Kicks aus den Backingtracks unterstützt wurde) und groß angelegten Spannungsbögen konnte sich die Gruppe von den anderen beiden abheben. Sylosis sind absolut meisterhaft im Ausnutzen kontrastierender Wechselwirkungen ihrer perfekt platzierten Pausen (in denen auf der Bühne wirklich absolute Stille herrscht) und den kreativen, drückenden Rhythmen der Breakdowns, die wie eine Abrissbirne hereinbrechen. Ausholen und Zuschlagen auf musikalisch.
Auch wenn nirgends wirklich ein großes Alleinstellungsmerkmal in Sylosis‘ stellenweise steril wirkendem Sound zu erkennen war, boten ihre Songs doch abwechslungsreiche Strukturen und wurden von der Band mit metronomischer Präzision zum Besten gegeben. Die Fähigkeit des Frontmanns und Gitarristen Josh Middleton alle stimmlichen Facetten zwischen Klargesang, Melodic-Screaming und ausdrucksvollem Fry-Screaming souverän abzurufen, sowie die melodischen Leadgitarren bereicherten die Songs zusätzlich mit emotionaler Tiefe. Das begeisterte Publikum ließ sich durch das Gebotene mehrmals zu Circle Pits animieren, die bei einer erfolgreichen Metal-Show natürlich nicht fehlen dürfen.