Ein Abend voller Klangkunst – mit einem großen Schatten
Das erste Konzert des :alpenarte Festivals war ein Wechselbad der Gefühle
Der Eröffnungsabend der dritten :alpenarte unter der Intendanz von Matthias Honeck ging am Freitag im ausverkauften Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg über die Bühne. Ein Ort der künstlerischen Begegnung wurde mit dem Holzbläserquintett V.Töne und den aus Süddeutschland stammenden Hanke Brothers geschaffen. Im Hinblick auf die Musikalität, das Niveau sowie den freundschaftlichen Austausch zwischen den Musiker:innen und dem Publikum blieben keine Wünsche offen. Kompetent und sympathisch führte Mattias Honeck durch den Abend und schuf eine unmittelbare Brücke von der Bühne zu den Zuhörenden. Doch trotz des musikalischen Hochgenusses hatte der Abend einen bitteren Beigeschmack: Das hochkarätige Holzbläserquintett V.Töne im Rahmen eines „Pre Concert“ derart lieblos in eine Ecke des Foyers zu stellen und die Musiker:innen gegen eine unverschämt laute Klangkulisse aus Bargeräuschen und sich unterhaltenden Menschen anspielen zu lassen, war – gelinde gesagt – eine Zumutung sowohl für das Ensemble als auch für das Publikum.
Die Hanke Brothers sind vier Musiker, die die Musikalität und das musikalische Zusammenwirken schon seit frühester Kindheit leben. Ihre Professionalität an den Instrumenten verleiht ihrer Musik einen faszinierenden Weitblick und setzt ihnen weder in der Präsentation noch in der Werkauswahl Grenzen. Die ungewöhnliche Besetzung mit Blockflöte (David), Viola (Lukas), Tuba (Jonathan) und Klavier (Fabian) sowie die Virtuosität, mit der die vier Musiker Instrumente wechseln und spieltechnische Raffinessen einbauen, erschließen ihnen eine große musikalische Welt. Sie reicht vom Barock, Klassik und Minimal Music über Jazz bis zum Rock, Pop hin zur Ethnomusic. Fabian Hanke ist zudem ein feinsinniger Arrangeur und Komponist, der seinen Brüdern die Musik auf den Leib schreibt und ideenreich die individuellen Qualitäten jedes einzelnen zur Geltung bringt.
Neben diesen Qualitäten überzeugte auch die sympathische und humorvolle Moderation von David Hanke. Er gab persönliche Einblicke, sprach das Publikum humorvoll an. Dass den Musikern das Verbindende, eine feinsinnige Atmosphäre beim gemeinsamen Musizieren und Musikerleben echte Anliegen sind, vermittelte das Quartett authentisch. Von Beginn an breitete sich eine fröhliche Stimmung im Saal aus, die die Sinne für die fantasiereichen Werke öffnete.
Sämtliche Darbietungen belebten die Hanke Brothers mit einer ausgeklügelten Choreografie. Trotz aller Bewegung auf der Bühne machte sich nie oberflächlicher Klamauk breit.
Virtuos, verspielt, vielschichtig
In der „Brovertüre“ von Fabian Hanke kristallisierten sich die musikalischen Themen auf engem Raum heraus und es entwickelte sich ein stimmungsvolles Panoptikum an Allusionen, die die Klassik, die Barockmusik und groovigen Pop streiften. Das starke Fundament der Tuba verlieh dem Ensemble eine gute Bodenhaftung. In den oberen Registern faszinierte der Blockflötist mit einer Vielzahl an Instrumenten, vom Sopranino bis zur Paetzoldflöte, die eine enorme Klangfarbenpalette einbrachte. Der Bratschist und der Pianist agierten flexibel zwischen begleitenden Passagen und traten stets selbstbewusst mit Themen führenden Melodien in den Klangvordergrund.
Oliver Davis komponierte für die Hanke Brothers das Werk „Elements“, in dem Luft, Wasser, Erde und Feuer klangsinnlich in Szene gesetzt werden. Hier zeigten die Musiker ihre Freude an Klangexperimenten. Luft- und Klappengeräusche, Pizzicati und tremolierende Flächen, vor und hinter dem Steg gespielte Passagen der Viola und Perkussion auf den Instrumenten wurden zu vielfarbigen Klanggemälden entwickelt.
Der Abschnitt „Europa" aus der Komposition „Seven Continents“ von Aleksey Igudesman bot einen humorvollen Streifzug durch die europäische Musikgeschichte. Unterschiedliche Genres wurden angespielt und in Verbindung zueinander gebracht, von der französischen Musette über eine barocke Battaglia hin zu einer Gigue mit irischem Touch und Anklängen an Symphonien sowie ungarische Rhythmen, um nur ein paar zu nennen. Der mit Augenzwinkern aufgespannte musikalische Bogen löste Begeisterungsstürme aus. Nach dem Konzert fand die fröhliche Begegnung mit den Musikern im Foyer eine Fortsetzung.
Matthias Honeck führte unterhaltsame Gespräche mit den Künstler:innen und lockte sie mit seinen Fragen gekonnt aus der Reserve.
Das Holzbläserquintett V.Töne und die Frage nach der Wertschätzung
Dem sogenannten „Grand Concert“ im Angelika-Kauffmann-Saal ging ein „Pre Concert“ voraus. Schon die Wortwahl deutete die Diskrepanz an, die sich im Konzert mit dem Holzbläserquintett V.Töne zeigte.
Im vergangenen Jahr nahmen Laura Moosbrugger (Flöte), Anna Eberle (Oboe), Johanna Bilgeri (Fagott), Anton Doppelbauer (Horn) und Paul Moosbrugger (Klarinette) als erstes und einziges Kammermusikensemble aus Vorarlberg am internationalen ARD-Wettbewerb teil und spielten sich dort bis ins Semifinale. Genau dieses Ensemble nun als „Vorband“ vor dem Hauptact des Abends auftreten zu lassen, irritierte bereits in der Konzertankündigung. Die Bedingungen, unter denen die Musiker:innen bei der alpen:arte konzertierten, wirkten auf mich geringschätzig und werfen die Frage auf: Was mag einen kompetenten Intendanten, der obendrein ein empathischer Musiker ist, dazu veranlasst haben, dieses Ensemble lediglich im Foyer und nicht im großen Saal auftreten zu lassen?
Selbstverständlich agierte das Holzbläserquintett (Paul Moosbrugger wurde von Christoph Braschoria vertreten) professionell. Mit viel Schwung und guter Kommunikation, sowie atemberaubender Spieltechnik interpretierten sie Teile aus Kompositionen von W. A. Mozart, A. Reicha, P. Hindemith, P. Taffanel und M. Arnold.
Bereits im Vorfeld hatten die Musiker:innen von V.Töne zahlreiche Schulkinder der Region mit ihren Musikvermittlungsprogrammen begeistert. Dieses Engagement unterstreicht die künstlerische und pädagogische Bedeutung des Ensembles sowie des :alpenarte Festivals.