Die wundersame Welt der Bratsche
Klaus Christa und drei Kolleg:innen werfen einen humorvollen Blick auf das Leben mit ihrem Instrument, der Bratsche
Die Bratsche ist ein Sonderfall unter den Streichinstrumenten. Während Geige, Cello und Kontrabass auch Leuten ein Begriff sind, die nichts mit Musik zu tun haben, wissen vermutlich nur wenige, wie genau eine Bratsche aussieht oder dass sie auch „Viola“ genannt wird. Gesegnet zwar mit tausenden nervigen Bratschenwitzen fehlen ihr sowohl die glänzenden Spitzentöne einer Violine als auch die sonore Tiefe des Violoncellos. Vom Tonumfang in der Mitte dieser beiden Pole angesiedelt, hat sie als Mittelstimme oft Begleitfunktion.
Der Donnerstagabend im Theater am Saumarkt beginnt nicht ganz unähnlich dem bekannten Theatermonolog „Der Kontrabass“ von Patrick Süskind: Klaus Christa, ein einsamer, leicht verbitterter Musiker, klagt dem Publikum sein Leid. Neben seiner Hassliebe zu Bratschenwitzen ist ein Streichquartett sein Traum. Nach einigen Versuchen fällt ihm folgendes Angebot ein: „Weltberühmtes Streichquartett sucht 1. Violine, 2. Violine sowie Violoncello“.
Wölfe im Schafspelz
Nach und nach trudeln die Interessenten ein: Danusha Waskiewicz als Primgeigerin, Guy Speyers als Cellist und Imgesu Tekerler als Zweite Violine. Sie alle sollen nun in Form eines Probespiels auf ihre Eignung getestet werden. Dumm nur, dass alle drei Kandidat:innen in Wirklichkeit Bratschisten sind, Wölfe im Schafspelz sozusagen. Im Rahmen dieses Settings gibt es in der Folge natürlich viele Möglichkeiten für Sprachwitz, Gags aber auch um musikalisch zu glänzen. Gelingt es den drei Musiker:innen anfangs noch, ihre wahre Identität zu verschleiern, bricht das auf Lügen gebaute Gebäude irgendwann zusammen, um dann aber den musikalischen Höhepunkt des Abends einzuläuten: In trauter Eintracht spielt das neu geformte „Streichquartett“ das Nachtstück op. 34 für vier Bratschen von Max von Weinzierl. Ein traumhaft schönes Stück eines in Vergessenheit geratenen Wiener Komponisten. Was bitte hat dieser Brahms-Zeitgenosse noch geschrieben? Wie klingen seine Kompositionen vor und nach op. 34?
Das sind die Mitglieder dieses Quartetts:
Klaus Christa, Dozent an der Stella Musikhochschule, Musikforscher und Leiter der Pforte-Konzerte, muss man eigentlich nicht vorstellen.
Danusha Waskiewicz war Gewinnerin des ARD-Musikwettbewerbes 2000, ein Jahr später die erste weibliche Solobratschistin der Berliner Philharmoniker. Derzeit liegt ihr Fokus auf dem Gebiet der Kammermusik mit dem Prometeo Quartett oder im Duo mit dem Pianisten Andrea Rebaudengo.
Guy Speyers studierte in seiner Heimat Südafrika sowie in Feldkirch bei Klaus Christa. Er unterrichtet in Vorarlberg und Deutschland, leitet das Ensemble Plus und ist Solobratschist im Symphonieorchester Vorarlberg.
Imgesu Tekerler, Studentin bei Klaus Christa, wird ab September an der Musikfakultät der Bilkent Universität in Ankara unterrichten und im Bilkent Symphonieorchester spielen.
Warum gibt es Bratschenwitze?
„Was ist der Unterschied zwischen einer Geige und einer Bratsche? Die Bratsche brennt länger“. Warum es Bratschenwitze gibt? Vermutlich aus demselben Grund, weshalb auch Witze über Burgenländer oder Ostfriesen existieren. Wobei es zwischen diesen drei Kategorien sogar häufig zu Überschneidungen kommt. Bratschisten müssen definitiv weniger arbeiten als Geiger oder Cellisten. Ihnen bleibt die unangenehme hohe Violinlage erspart und ihr Solorepertoire ist mindestens um den Faktor Zwanzig kleiner. Ein Cellist wiederum muss von morgens bis abends einen wirklich schweren Koffer mit sich herumtragen. Vermutlich, um diese Verwerfungen auszugleichen, hat irgendjemand die Bratschenwitze erfunden. Die Welt ist doch gerecht.
Der Abend bot außer guter Unterhaltung und musikalischen Highlights – wie dem 4. Satz der Solosonate für Bratsche von Paul Hindemith, gespielt von Danusha Waskiewicz – auch viel Informatives aus der Musikwelt. Das Publikum hatte einiges zu lachen und wirkte ausgesprochen begeistert.
Vielleicht sollte das Quartett einen Theaterprofi engagieren, um noch ein wenig an der Regie und am Text zu feilen. Dann allerdings stünde einer ausgedehnten Tournee mit diesem nicht alltäglichen Programm durch kleinere Theaterbühnen im deutschsprachigen Raum nichts im Wege.