Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Thorsten Bayer · 12. Mai 2012 ·

Die haben doch ´ne Meise – Vogelkunde mit „Das wüste Gobi“ im Freudenhaus

Auch ohne ihren langjährigen Mitstreiter Klaus Huber, der Anfang des Jahres starb, bleiben die beiden verbliebenen Mitglieder von Ars Vitalis ihrem Stil treu. Dadaistisches Kabarett, skurrile Texte mit viel Wortwitz und musikalische Könnerschaft zeichnen auch „Das wüste Gobi“ aus. Peter Wilmanns und Buddy Sacher zeigen sich am Freitagabend bei ihrem Auftritt beim Seelax-Festival als Ornithologen der schrägen Art.

Um 20:30 Uhr, auf die Sekunde pünktlich, betritt Peter Wilmanns die Bühne des Freudenhauses. „Sie wissen, was auf Sie zukommt?“, fragt er mit spitzbübischer Miene und bereitet die bis dato völlig kahle Bühne für die geplante Lesung vor, stellt ein Mikrofon für seinen Kollegen bereit. Auftritt des Autors, Buddy Sacher. „Ich werde Ihnen nicht nur einen Vogel zeigen“, kündigt er an und verspricht damit nicht zu viel. Im Laufe des Abends stellt Sacher die aberwitzigsten Vogelarten vor; von der Foliantengrasmücke über die (ungewöhnlich kleine) Sperlingsmöwe bis zum baltischen Tumult-Tierchen. Nur im Umland von Neapel sei der trockene Cinzano, aus der Familie der Torkelhühner, zu finden. Auch von einem Altersheim für Vögel, das sich in Lexikon, einem kleinen Ort am Zürichsee, befinde, weiß er zu berichten. Die Ulmer Südwest Presse schrieb: „Für Nabu-Freunde ist das Werk nur bedingt geeignet, zumindest nicht zum Bestimmen einer Meise. Unter dem Stichwort Schnapsdrossel kann man dagegen schon fündig werden.“

Ein Gläschen „Amselfelder“ zum finnischen Tango

Immer wieder greifen die beiden zu ihren Instrumenten, Sacher zur E-Gitarre, die er eher wie einen Bass einsetzt. Und Wilmanns´ Reservoir scheint unerschöpflich, ständig holt er ein neues Instrument hinter dem Vorhang hervor, unter anderem Klarinette, Saxophon, Xylophon, Zither und Becken. Der 56-Jährige versteht sein Handwerk vorzüglich: In den siebziger Jahren hat er an der Musikhochschule Köln klassische Klarinette studiert. Ein Höhepunkt des Auftritts ist der finnische Nationaltango, den die beiden mit viel Inbrunst und Melancholie intonieren. Dazu kredenzt Wilmanns seinem Partner einen „Amselfelder“ genannten Rotwein. Dazu passt der Text „Die Spatzen pfeifen´s von den Dächern: Wer gerne trinkt, der kann gut bechern.“

Selbstironie

Eine dadaistische Show mit starken musikalischen Einlagen – Vergleiche mit Helge Schneider drängen sich förmlich auf. Wie bei ihm macht auch bei den selbsternannten Vogelkundlern der Spott angenehmerweise nicht vor ihnen selbst halt. Beispielsweise wenn die Künstler, die beide aus Leverkusen stammen, den rheinischen Drängler als ebenso durchgeknalltes Vieh charakterisieren wie alles andere Federvieh, das sie bedichten.

Über 30 Jahre lang betrieb Ars Vitalis gemäß ihrem Motto „Muzik als Theater“. Nach dem Tod von Klaus Huber war das erste Stück als Duo zunächst als Lesung geplant. In wenigen Wochen aber entwickelten Wilmanns und Sacher daraus ein komplettes Programm, das Mitte Februar bereits Premiere feierte. Trotz dieses engen Zeitplans wirkt das Programm nicht wie aus der Not geboren, sondern wie ein schlüssiges Konzept – soweit man eben „Das wüste Gobi“ angesichts des Charakters dieser Show ein ebensolches unterstellen darf.

 

Wer die zahlreichen feinen Pointen noch einmal nachlesen möchte, dem sei das Buch zum Programm empfohlen:
Buddy Sacher, Freie Sicht auf die Ambiente. Der kleine kosmische Vogelführer (Band II), Verlag Theater Ticino, 2008, 148 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-033-01712-2