Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 09. Apr 2023 · Musik

Die Camerata Musica Reno spielte Wagner

Die Camerata Musica Reno wurde 2021 von Tobias Grabher initiiert. Mit vier Produktionen hat das Kammerorchester im Theater Kosmos bereits Furore gemacht. Ihre Kunst des gemeinsamen Gestaltens zeigten die engagierten Orchestermusiker:innen nun mit Kompositionen von Richard Wagner. Die langen Kantilenen und die Tonmalereien entfalteten sie mit viel Emotion, Geistesgegenwart und einem langen gemeinsamen Atem. Geleitet wurde das Orchester von Tobias Grabher, der den erzählenden musikalischen Fluss hervorragend zur Geltung brachte. Eine inspirierende Unterhaltung bescherte Michael Köhlmeier den Zuhörenden. Dank seiner humorvollen und mitreißenden Erzählkunst tauchten alle gemeinsam in die Nibelungensage ein.

Was der angehende Dirigent und das erst vor zwei Jahren gegründete Kammerorchester bereits erreicht haben, verdient höchste Anerkennung. Der Wagner Verband Vorarlberg honorierte die Orchestergründung und -leitung sowie die engagierten Programme von Tobias Grabher und verlieh dem 25-jährigen Altacher das Stipendium des Richard Wagner Verbandes Vorarlberg 2022. Als Dankeschön konzipierte der gut informierte Musiker und Orchesterleiter ein Konzertprogramm, in dem er Werke des Opernkomponisten Richard Wagner zusammenführte und Michael Köhlmeier als Erzähler der Nibelungensage einlud.

Kammermusikalische Verantwortung tragen

Für „Siegfrieds Rheinfahrt“ (WWV 86D) und den „Karfreitagszauber“ (WWV 111) griff Tobias Grabher auf Bearbeitungen von Iain Farrington zurück. Ganz dem Zeitgeist entsprechend, kochte der englische Komponist, Pianist, Organist und Arrangeur die riesigen Orchesterbesetzungen auf Kammerorchestergröße ein und löste die Kompositionen aus ihrem ursprünglichen Gesamtzusammenhang der Opern „Götterdämmerung“ sowie „Parsifal“.
Wagners Musik lebt von einem überbordenden musikalischen Erzählfluss sowie der berühmten Leitmotivtechnik, die die Protagonist:innen charakterisiert und (Seelen-)Landschaften beschreibt. Doch insbesondere der Klangfarbenreichtum der riesigen Orchesterbesetzungen verleiht den großen Schilderungsbögen Abwechslung und offenbart das musikalische Entwicklungspotential.
Die Rückführung auf eine Kammerorchesterbesetzung hatte den Effekt, dass die musikalisch-kompositorischen Wirkzusammenhänge transparent zum Ausdruck kamen. Freilich fehlte den Werkdeutungen der dick aufgetragene orchestrale Schmelz der Originalbesetzung. Doch dieser Tatsache wirkten die enthusiastisch musizierenden jungen Musiker:innen entschieden entgegen. Die kleinere Orchesterbesetzung gewährte jeder und jedem Einzelnen eine kammermusikalische Verantwortung, die die Orchestermitglieder energiegeladen nutzten und in Szene setzten. Die Holz- und Blechbläser:innen spielten ihre zahlreichen solistischen melodischen Bögen in einem guten Austausch mit den Streicher:innen aus.

Plastische Phrasierungsbögen

So lebten alle Werkdeutungen von vielgestaltigen, langen Phrasierungsbögen, einer guten Pianokultur und dem großen Potential zu expressiven Steigerungen. Transparent verwoben erzählten die Musiker:innen die musikalischen Geschichten. Wagner-Liebhaber:innen und -Kenner:innen haben in den Werkdeutungen die herausmodellierten Charaktere der Protagonist:innen wohl vergnüglich mitverfolgt.
Das „Siegfried-Idyll“ (WWV 103) erklang in Originalbesetzung für Kammerorchester. Bei dieser Werkdeutung war die zugrundeliegende Probenarbeit der Camerata Musica Reno gut nachzuvollziehen. Einen großen Eindruck hinterließ die Art, wie die harmonischen Zusammenklänge ausbalanciert und entfaltet wurden. Dabei schenkten die Musiker:innen dem Dirigenten viel Beachtung. Die emotionale Spannung und die dynamischen Entwicklungen sowie die Klangfarbenspiele, unter anderem mit gedämpften Streichern, verbunden mit naturhaften Einsprengseln, ergaben einen anregenden Erzählfluss.

Der Dirigent, der Erzähler und die Aufbauarbeit

Tobias Grabher hat im Laufe der vergangenen beiden Jahre, in denen er am Pult der Camerata Musica Reno steht, viel gelernt. Er strahlte eine sichere Ruhe aus, dirigierte ausdrucksstark und in einem gut nachvollziehbaren Austausch mit den ausführenden Musiker:innen.
Zwischen den drei Orchesterwerken erzählte Michael Köhlmeier aus der Nibelungensage von Krimhild aus Worms, ihren drei Brüdern und Hagen sowie Siegfried aus Xanten und Brünhild von Burgund. Mit seiner spannenden und zugleich humorvollen Erzählung zog er die Zuhörenden in seinen Bann. Wohl in vielen Köpfen lief ein farbenreicher und eindrücklicher Film von übernatürlichen Kräften, einem ungleichen Wettkampf mit Tarnkappe, einer peinlichen Hochzeitsnacht und dem Tod Siegfrieds ab.
Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus.
Dass in Vorarlberg und der Bodenseeregion derart viele herausragende Musiker:innenpersönlichkeiten heranwachsen, ist höchst erfreulich. Die meisten Orchestermitglieder der Camerata Musica Reno sind gut 20 Jahre alt und befinden sich noch im Studium. Das Kammerorchester ist ein lebendiges Beispiel der erfolgreichen Früherziehung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen an den Vorarlberger Musikschulen beziehungsweise am Landeskonservatorium (Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik). Auf die weitere Entwicklung dieses Kammerorchesters dürfen wir uns freuen.

Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier: „Richard Wagner & die Nibelungen“
weitere Aufführungen am 9. und 10.4., jeweils 19.30 Uhr

https://theaterkosmos.at/theaterstueck/konzert-camerata-musica-reno-267