Das Concerto Stella Matutina brachte Vorweihnachtsfreude
Drei unterschiedliche Blicke auf Weihnachten mit herausragenden Interpret:innen
Werke von Johann Kuhnau sind heutzutage kaum mehr in Konzertprogrammen zu finden. Der Komponist war als Thomaskantor in Leipzig Vorgänger von Johann Sebastian Bach. Seither steht das Schaffen des Universalgelehrten vollkommen im Schatten seines berühmten Kollegen. Johannes Hämmerle holte im Rahmen des Weihnachtskonzertes Johann Kuhnau vor den Vorhang. Die Kantaten „Frohlocket, ihr Völker“, „Uns ist ein Kind geboren“ sowie „Wie schön leuchtet der Morgenstein“ brachten durch die guten Werkdeutungen und das hervorragende Solist:innenquartett mit Anna Geschwend (Sopran), Yosemeh Adjei (Alt), Jakob Pilgram (Tenor) und Maximilian Schnabel (Bass) vorweihnachtliche Stimmung und musikalischen Glanz in die Kulturbühne AmBach.
Die Werkauswahl zum traditionellen Weihnachtskonzert der Abonnementreihe des Concerto Stella Matutina weckte hohe Erwartungen, denn Kompositionen von Johann Kuhnau sind selten zu hören. Mit ihrer gleichzeitig fröhlich beschwingten sowie besinnlich religiösen Ausstrahlung zeichneten sich die drei Kantaten aus und boten beste Unterhaltung. Johannes Hämmerle stellte die Kompositionen mit klugen und humorvollen Worten in den musikgeschichtlichen Kontext.
Im Mittelpunkt des Orchesters stand die wunderbar disponierte Truhenorgel von Christoph Enzenhofer, souverän gespielt von Johannes Hämmerle. Vier hohe Streicherstimmen, Violoncello und Kontrabass, Oboe, Blockflöte sowie Trompete und Horn unterstrichen in unterschiedlichen Klangfarbenkonstellationen die Charaktere der Kantaten. Die teilweise virtuos gesetzten Streicherstimmen und die rhythmischen Verschiebungen gestalteten die Musiker:innen meisterhaft aus. Doch nie ließen sie die gemütsvolle Wirkung der in Terzen gesetzten melodischen Linien außer Acht und betonten auf diese Weise die volksmusikalische Ausstrahlung der Werke.
Gut ausbalanciert waren die Wechselwirkungen zwischen dem Orchester und dem Vokalquartett sowie den solistischen Darbietungen. Die kunstvoll, mit zahlreichen Melismen und Verzierungen versehenen Melodien entfalteten die Sängerin und die Sänger beeindruckend. Ihre Soli formte die Sopranistin Anna Geschwend mit einem warmen und satten Timbre. Der Altist Yosemeh Adjei ist für den erkrankten Franz Vitzthum eingesprungen. Innerhalb kürzester Zeit studierte er die Partien ein und überzeugte mit seiner textdeutenden Darstellungskraft. Die zahlreichen Tenorrezitative und -arien füllte Jakob Pilgram mit großer Aussagekraft und textdeutlich aus. Mit seiner abgerundeten Stimmführung ließ der Bass Maximilian Schnabel aufhorchen.
All diese musikalischen Ausdrucksqualitäten boten beste Voraussetzungen für stimmungsvolle und herausragende Werkdeutungen.
Anschauliche Musik
Die drei unterschiedlichen Charaktere der Kantaten kristallisierten das Vokalquartett sowie das Orchester unterhaltsam heraus. Der festliche Glanz der Rahmensätze in „Frohlocket, ihr Völker, und Jauchzet, ihr Heiden“, blieb in Erinnerung und ebenso die gute Balance der fugierten Stimmen in den symbolhaft auskomponierten Textpassagen. Der Kantate „Uns ist ein Kind geboren“ verliehen die Blockflöten sowie die Oboen eine volksnahe Ausstrahlung. Kunstvoll stellten die Interpret:innen den Chorsatz „Ich will den Namen Gottes loben“ sowie das virtuose „Alleluja“ in den Raum und entfalteten danach in der Tenor- und Altarie mit kleinen Besetzungen sinnliche Klangfarbenspiele.
Wirkungsvolle Kontraste bereicherten die Kantate „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Der einleitende Satz zog mit prägnanten Überleitungen und drängenden Tonrepetitionen im Horn die Aufmerksamkeit auf sich. Ein Höhepunkt bildete die Tenorarie „Kommt ihr Völker“, die Jakob Pilgram mit einer kunstvollen Stimmführung darbot. Verstärkt wurde die Wirkung durch den nachfolgenden homophonen Chorsatz, in den der Konzertmeister David Dabrek virtuose Verzierungen einschrieb. Punktierte Akkordzerlegungen des Basso Continuo gaben eine kraftvolle Stütze.
Obwohl die Sängerin und die Sänger textdeutlich sangen, wäre es eine Bereicherung gewesen, wenn es die Beleuchtung den Zuhörenden ermöglicht hätte, die im Programmheft abgedruckten Texte mitzuverfolgen.
Zwischen den Kantaten gab das Concerto Stella Matutina mit der Sonate von Georg Friedrich Telemann einen spannenden Kompositionsvergleich. Telemann war Johann Kuhnaus größter Kontrahent, denn dessen innovativer Blick auf den italienischen Kompositionstil ließ Kuhnaus Musik alt aussehen. Die „Pastorale per la Notte di Natale“ von Johann David Heinichen, einem Schüler von Johann Kuhnau, passte mit ihrem rührselig wiegenden Duktus gut in die Vorweihnachtszeit.