Chor und Orgel mit Bach im inspirierenden Dialog
Der Rheintaler Bachchor, Alexander Seidel und Umberto Kostanić setzten ein starkes Zeichen
Seit vergangenem Jahr leitet der renommierte Musiker, Dirigent und Sänger Alexander Seidel den Rheintaler Bach-Chor. Die 61 Sänger:innen aus der Rheintalregion Vorarlberg, Ostschweiz und Liechtenstein haben sich für ihr diesjähriges Projekt viel vorgenommen, sie brachten die sogenannte „Orgelmesse nach dem Dritten Theil der Clavier Übung“ von Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 1739 zur Aufführung. Acht vierstimmige Choräle und die dazu passenden Choralbearbeitungen (BWV 672-BWV 688) beinhaltete die Werkauswahl. Die vielgestaltigen Darbietungen des Chores und die herausragenden Werkdeutungen des kroatischen Organisten Umberto Kostanić entwickelten eine große Sogwirkung.
Den Rahmen bildeten das Präludium und die Fuge in Es-Dur (BWV 552) von Johann Sebastian Bach. Bereits die ersten Töne mit den kantig ausformulierten Punktierungen sowie die feinsinnig verwobenen weiteren Motive und Themen ließen aufhorchen. Umberto Kostanić führte die Stimmen an der Metzler-Orgel in farbenreichen Registrierungen und überaus transparent aus. Auch die Fuge am Schluss musizierte er mit sehr klaren Themeneinsätzen, Engführungen sowie kontrapunktischen Gegenlinien und steigerte den Duktus zum Ende hin mitreißend.
Inhaltsreiche Programmgestaltung
Vor die Choralbearbeitungen und teilweise dazwischen gelagert sang der Rheintaler Bachchor die vierstimmigen Choräle zur Sammlung der „Clavier Übung III“. Dieses Wechselspiel zwischen Chor und Orgel implizierte reizvoll ein ‚Call and Response‘ und es entwickelte sich ein inspirierender Dialog zwischen dem in der Apsis singenden Chor mit Alexander Seidel am Cembalo und als Dirigent und dem Organisten auf der Empore. Die Choräle verströmten aufgrund ihrer straffen Kompositionsart viel Kraft. In Korrespondenz dazu wirkten die virtuos dargebotenen Bearbeitungen wie Reflexionen über den Aussagegehalt der Choräle.
Mit Elan nahmen die Chorsänger:innen die Herausforderungen an, die der Choralgesang im allgemeinen an Interpret:innen stellt. Die Stimmführungen verlangen eine sehr exakte Intonation. Zwischen den starken Bass- sowie den markanten Sopranlinien entfalten die Alt- und Tenorstimmen ein dynamisches und symbolträchtiges Innenleben. Eine gute Textdeutung und das Hinführen zu leuchtenden Dur- oder Mollakkorden an den Phrasenenden bilden die Quintessenz der kurzen Stücke. Alexander Seidel und die Chorsänger:innen legten viel Wert auf die Textdeutlichkeit, indem sie die Choraltexte hervorragend artikuliert vortrugen. Auch die Balance zwischen den einzelnen Stimmen war ausgewogen. Mit viel Bedacht aufeinander gestaltete der Chor jeden einzelnen Choral aus. Wenngleich die Intonation nicht immer ganz einwandfrei war, verströmte der Rheintaler Bach-Chor Sicherheit und stellte die meisten Passagen eindrucksvoll in den Raum.
Gut disponierter Chor
Besonders schön gelang die aufstrebende Stimmentfaltung im zweiten „Kyrie, Gott, Heiliger Geist“. In „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ führten die Sänger:innen die Linien in einem bewegten Fluss zu den Zielpunkten hin und achteten sehr bewusst auf eine gute Artikulation. Textdeutende Rubati bestimmten den Choral „Dies sind die heiligen zehn Gebote“. Gut kamen die harmonischen Farben in „Vater unser im Himmelreich“ zur Geltung und auffallend traten die Männerstimmen in der zweiten Strophe in den Klangvordergrund. Mit einem gemeinsamen Atem sang der Chor „Christ, unser Herr, zum Jordan kam“ und in Erinnerung blieben auch die klangvoll ausgeformten Konsonanten, um die Schlussakkorde voll zur Geltung zu bringen.
Herausragender Organist
Anstatt des erkrankten Organisten Sebastian Bausch spielte Umberto Kostanić die vielgestaltigen Choralbearbeitungen (BWV 672, 673, 674, 676, 678, 680, 682, 685 und 688). Die Art, wie er die kunstvoll komponierten Orgelwerke mit kontrastierenden und harmonischen Registerfarben, kraftvollen Artikulationen und in groß angelegten Phrasierungsbögen interpretierte, ermöglichte faszinierende Hörerlebnisse. Chromatische Durchgänge, Imitationen und girlandenartige Umspielungen zeichneten beispielsweise die Choralbearbeitungen über „Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit“, „Christe, aller Welt Trost“ und „Kyrie, Gott, Heiliger Geist“ aus. In einem gut nachvollziehbaren Duktus und freudvoll formte Umberto Kostanić die Figurationen in der Choralbearbeitung „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘“ aus. Reizvoll kristallisierte der Organist die singende Linie in der Bearbeitung „Dies sind die heiligen zehn Gebot“ heraus. Das Werk „Wir glauben all‘ an einen Gott“ interpretierte er brillant, viel Elan erhielt die Werkdeutung durch die staccato geführten Passagen und die Schubkraft des Pedalparts. In der Bearbeitung über „Jesus Christus, unser Heiland“ betonte der Organist die gespaltene Linienführung und setzte diese prägnant und virtuos ausgeformt in den Raum.
Mit der Kantate „Verleih‘ uns Frieden gnädiglich“ beendete der Rheintaler Bach-Chor mit seinem hervorragenden musikalischen Leiter Alexander Seidel das vielsagende Konzert.