Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 06. Apr 2020 · CD-Tipp

Wolfgang Muthspiel – Scott Colley – Brian Blade: Angular Blues

Wolfgang Muthspiel genießt sowohl als Gitarrist als auch als Komponist längst einen hervorragenden Ruf, völlig zurecht, wie sein viertes ECM-Album mit sieben neuen Stücken und den Standards „Everything I Love“ und „I’ll Remember April“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. Sein melodischer und harmonischer Einfallsreichtum verblüfft immer wieder, ebenso seine stupende Fingerfertigkeit, mindestens so wichtig ist aber auch sein exzellentes Händchen für die Wahl der geeigneten Partner, denen er die Musik gerne auf den Leib schreibt. Das Trio war immer schon ein Lieblingsformat Muthspiels – besonders bekannt ist natürlich jenes mit Larry Grenadier und Brian Blade, mit dem er 2014 sein vielgepriesenes ECM-Debüt „Driftwood“ veröffentlichte. Letzterer hat auch auf „Angular Blues“, das zur Krönung von sechs Konzerten im „Cotton Club“ in Tokio dort im Studio Dede auch gleich aufgenommen wurde, den Schlagzeug-Part übernommen.

Unglaublich mit wieviel Subtilität und Einfühlungsvermögen Blade das musikalische Geschehen rhythmisch akzentuiert und vorantreibt, wie er wichtige Impulse setzt, ohne sich jemals in den Vordergrund zu spielen, ist eine Klasse für sich. Den Platz Grenadiers, seines Dreamteam-Partners in Sachen Rhythmusgespann, nimmt in diesem Projekt Scott Colley ein, ebenfalls ein vielbeschäftigter alter Bekannter, mit dem man bestens eingespielt ist und der mit seinem warmen, gleichermaßen geerdeten wie wendigen Bass zum hochinteressanten Triolog-Partner wird. So entspinnen sich bewundernswerte musikalische Interaktionen, wobei Wolfgang Muthspiel seinen Partnern innerhalb seiner Kompositionen auch genügend Raum zur improvisatorischen Selbstverwirklichung lässt. An seinem gleichermaßen formvollendeten wie emotional tiefgehenden Spiel auf der Akustik- und auf der E-Gitarre, das selbst in den kniffligen Passagen immer spielerisch leicht und fließend den Weg in die Gehörgänge findet, kann man sich ohnehin nicht satthören. Kompositorisch bewegen sich die Stücke zumeist im gewohnten Rahmen des Muthspiel’schen Oeuvres – besonders interessant sind der rhythmisch vertrackte, mit verblüffenden Breaks gespickte Titelsong „Angular Blues“ und als Gegenpol dazu die mit ihrer hochgradigen Einfachheit überraschende Ballade „Hüttengriffe“, das Bebop-inspirierte „Ride“, das nachdenklich-verträumte startende und dann lässig swingende „Camino“ und die elektrisierende Gruppenimprovisation „Kanon in 6/8“, die ihre Fortsetzung im einzigen Gitarrensolostück des Albums, dem unkonventionell irgendwo zwischen Electronic und Barock angelegten „Solo Kanon in 5/4“ findet. Drei kongeniale Individualisten, deren musikalische Einfälle und Energien sich in gebündelter Form auf eindrucksvolle Weise potenzieren.       

(ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at)

Konzerttipps: Gehen wir einmal davon aus, dass der Corona-Wahnsinn irgendwann auch wieder ein Ende haben wird: Dann sollte das Trio, allerdings mit Jeff Ballard statt Brian Blade an den Drums, am 25.6. im Unterfahrt in München und am 26.6. im Porgy & Bess in Wien zu hören sein.