Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 01. Apr 2019 · CD-Tipp

The Comet Is Coming: Trust In The Lifeforce of Deep Mystery

Es braucht große Füße, um in die Schuhe von Sun Ra, Alice Coltrane oder Pharoah Sanders zu schlüpfen! Diese erste Reaktion auf das Cover und den Titel des zweiten Longplayers „Trust In The Lifeforce of The Deep Mystery“ des britischen Trios The Comet Is Coming wird schnell einmal ad aburdum geführt, denn es geht den Herren keineswegs um eine Revitalisierung der epochalen Ausflüge genannter Referenzgrößen in das, was diese einstmals musikalisch und philosophisch für den Outer Space hielten. Deren Konzepte dienen bestenfalls als Ausgangspunkt für die einerseits radikalen, andererseits dancefloor-tauglichen Klangexpeditionen des gefeierten Saxophonisten Shabaka Hutchings, der sich in diesem Projekt genre-gemäß King Shabaka nennt, und des Elektronic-Duos Soccer96, bestehend aus dem Synth-Spezialisten Danalogue (Dan Leavers) und dem Drummer Betamax (Max Hallett).

Das Trio hat eine Woche lang live improvisiert, die daraus entstandenen Aufnahmen haben Danalogue und Betamax anschließend monatelang durch den elektronischen Fleischwolf gedreht, gefiltert und gesampelt, geschreddert und verdichtet – und zwar in einem Ausmaß, dass man die Postproduktion schon als den eigentlichen Kompositionsprozess betrachten darf. Die über weite Strecken mit großer Vehemenz zur Sache gehende, für Bewegungsfreudige absolut mitreißende Mixtur aus Jazz, Psychedelic Rock, Funk und viel, viel Electronic Music bildet den idealen Untergrund für King Shabakas wild-expressive Ritte auf dem Tenorsax und seine hypnotisierenden Bassklarinettenlinien. „Blood of The Past“ wird durch eine Spoken-Word-Performance der gefeierten Londoner Sprachartistin Kate Tempest veredelt – ein letztes Sahnehäubchen auf 45 Minuten und 48 Sekunden genial-schräger, wildwuchernder, kompromissloser und – für alle, die so etwas mögen – faszinierender Electronic-Jazz-Exzentrik. Auf dem Cover verspricht das Trio unter anderem „die Manifestation neuer Realitäten und Erkenntnisse, Bewusstseinsebenen und Befähigungen zur Koexistenz, das Überwinden der Angst und die Umarmung des Chaos“ - vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber ein weiteres Meisterwerk von Shabaka Hutchings  nach „Your Queen Is A Reptile“ mit den Sons of Kemet ist es auf jeden Fall.

(Impulse!/Universal)