Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 13. Dez 2022 · CD-Tipp

Redi Hasa: My Nirvana

Für den jungen Musikstudenten Redi Hasa lieferte die heimlich gehörte, weil offiziell verbotene westliche Rock- und Pop-Musik im Tirana der späten 1980-er und frühen 1990-er Jahre den Soundtrack zum Niedergang der Diktatur.

Im Erscheinungsjahr des Nirvana-Klassikers „Nevermind“ wurden in Albanien die ersten freien Parlamentswahlen nach dem Ende der kommunistischen Einparteiendiktatur abgehalten – ein Zufall, gewiss, aber für den Cello-Virtuosen wohl eine emotionale Verbindung, die bis in die Gegenwart nachwirkt. Glücklicherweise, denn das beschert uns das außerordentliche Vergnügen, neun der bekanntesten Nirvana-Titel arrangiert für Solo-Cello serviert zu bekommen, wobei Redi Hasa wie schon bei seinem vor zwei Jahren erschienenen Debüt-Album „The Stolen Cello“ den Sound mit passenden Loops und Overdubs auffettet.
Als Opener macht „Love Buzz“ (vom 1989-er Album „Bleach“) gleich ordentlich Stimmung, verführte doch auch schon die Hookline des Grunge-Originals mit ihrem irgendwie orientalisch anmutenden Flair. Der längst als Solist bei Ludovico Einaudi weltberühmt geworden Hasa versteht das Cellospiel als Manifestation der inneren menschlichen Stimme, kein Wunder also, dass er die – für manche vielleicht verblüffenden – melodischen Qualitäten der hauptsächlich aus der Feder Kurt Cobains stammenden Kompositionen einfallsreich zur Geltung bringt. Dessen auf die Fans euphorisierend wirkender, genial ausbalancierter Mix aus unbändiger Wut, Verzweiflung, Verwundbarkeit und Sensibilität mag in Redi Hasas Interpretationen zwar manchmal etwas an Rauheit und Dringlichkeit verlieren, gewinnt dafür aber an einer kammermusikalischen Schönheit, die niemals in eine das Original desavouierende Lieblichkeit oder Beliebigkeit abdriftet und stets auch noch Platz für stimmige Experimente lässt. „Smells Like Teen Spirit“, „In Bloom“, „Lithium“, „Come As You Are“, „Polly“ – Redi Hasa macht die emotionale Tiefe der beliebtesten „Nevermind“-Titel auf verblüffende Weise neu erfahrbar, aber auch jene von „Heart Shaped Box“ und „All Apologies“ vom 1993-er Album „In Utero“. Als einzige Nicht-Nirvana-Komposition ist Leadbellys „My Girl“ zu hören, das die Band aber 1994 auf ihrem „MTV Unplugged in New York“-Album auch selbst gecovert hat – damals saß die Cellistin Lori Goldston mit ihnen auf der Bühne. Auch auf den Studioalben sind Cellist:innen vertreten, Kurt Cobain muss dieses Instrument also wohl geliebt haben – vielleicht so sehr, wie Redi Hasa die Grunge-Ikonen aus Seattle.

(Decca/Universal)