Mathias Eick: Midwest
Die Geburtsstunde dieses wunderbaren Albums schlug, als der norwegische Trompeter Mathias Eick im Rahmen einer nervenaufreibenden US-Tournee von Heimweh geplagt in den Mittleren Westen geriet und sich plötzlich zu Hause wähnte, weil die Gegend seiner Heimat ähnelte und der Großteil der Bewohner norwegische Namen trug. Das machte ihn darauf aufmerksam, dass im 19. und 20. Jahrhundert rund eine Million Norweger auswanderten, um in der Neuen Welt ihr Glück zu suchen, und sich dann vorwiegend im Mittleren Westen ansiedelten.
Mathias Eick kam die Idee, solch eine imaginäre Reise musikalisch nachzuempfinden – mit dem Ausgangspunkt Hem, seinem Heimatort, der so klein ist, dass es dort nicht einmal ein Verkehrszeichen gibt. Eine Art umgekehrtes „back to the roots“ also, für das Mathias Eick norwegische Folklore und amerikanischen Jazz zu einem wunderschönen, melodienlastigen, unglaublich stimmungsvollen Soundtrack vereint. Als Reisebegleiter holte sich Eick den exzellenten, folk-erprobten Geiger Gjermund Larsen, dessen Spiel perfekt mit seinen melancholisch-expressiven, obertonreichen Trompetentönen harmoniert. Der sonst eher experimentelle Jon Balke zaubert lyrische Perlen aus dem Piano, Perkussionist Helge Norbakken und Kontrabassist Mats Eilertsen erweisen sich als einfallsreiches, mitunter auch lautmalerisches Rhythmusgespann, das wesentlichen Anteil daran hat, die Weite des Raumes zu erschließen. Ein Stück ist Dakota gewidmet, wo ein Drittel der Einwohner auf norwegische Vorfahren stolz ist, ein weiteres der größten Stadt Fargo, die schon den Coen-Brüdern als Namensgeberin für ihren gleichnamigen, absurden Kult-Thriller diente, in dessen Filmmusik ebenfalls eine norwegische Folk-Tune eingeflossen war. Heimweh? Ob dieser wunderbaren Klangwelten packt mich schon eher das Fernweh!
(ECM/www.lotusrecords.at)