Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 23. Mär 2022 · CD-Tipp

Mark Turner: Return From The Stars

Mark Turner zählt zwar unzweifelhaft zu den herausragenden Tenorsaxophonisten der Gegenwart, dennoch tritt er nicht allzu oft als Bandleader in Erscheinung. Wenn man von der Duo-Platte „Temporary Kings“ (2018) mit dem Pianisten Ethan Iverson absieht, dauerte es acht Jahre, bis er nach dem vielgepriesenen „Lathe of Heaven“ ein weiteres Album unter eigenem Namen beim Münchner Jazz-Label vorlegt.

Vom damaligen Quartett ist nur Kontrabassist Joe Martin übriggeblieben, dem kommt allerdings eine Spezialaufgabe zu, da diese Band ohne Harmonieinstrument auskommt und Turner erklärt, er teile die Harmoniefunktion beim Komponieren gedanklich zwischen Bass, Saxophon und Trompete auf. Martin teilt sich die Rhythmusarbeit nun mit dem äußerst wendigen und fintenreichen Drummer Jonathan Pinson, der die Stelle von Marcus Gilmore übernommen hat und in Band-Projekten von Herbie Hancock, Wayne Shorter, Kamasi Washington oder Ambrose Akinmusire bekannt geworden ist. In den acht neuen, bis zu zwölf Minuten langen, höchst abwechslungsreichen Kompositionen Turners, bleibt Pinson und Martin sehr viel Gestaltungsfreiraum, den sie auf subtile Weise luftig-locker, aber genauso auch spannungsgeladen vorwärtstreibend zu nützen wissen. Sorgte beim 2014-er Quartett-Debüt noch der israelische Trompeter Avishai Cohen für Aufsehen, so holte sich Turner nun Jason Palmer, mit dem er schon seit zehn Jahren regelmäßig zusammenarbeitet und in dessen Bands er schon an vier Alben beteiligt war. Man kennt sich also bestens, was umso mehr von Bedeutung ist, weil Turner beim Komponieren seiner im Wesentlichen im Cool Jazz- und Hard Bop-Idiom angesiedelten Stücke immer ganz bestimmte Musiker im Kopf hat. So brillieren Turner und Palmer mit ästhetischen, zurückhaltenden, kunstvoll ineinander verschachtelten Dialogen und mit perfekt gespielten Unisono-Passagen, verstehen in den Soli aber durchaus auch Feuer zu entfachen und ihre Ausdrucksstärke zur Geltung zu bringen. Im Gegensatz zu den Rhythmikern sind die Bläserparts weitgehend ausnotiert, was aber dennoch genügend Raum zur kreativen Entfaltung lässt, wie besonders auch Palmers messerscharfe Trompetenlinien eindrucksvoll beweisen. Der Albumtitel „Return From The Stars“ ist übrigens wieder einmal ein deutlicher Verweis auf Mark Turners Faible für Science-Fiction Literatur. In Stanisław Lems gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1961 kehrt ein Astronaut von einer Zeitreise zurück und findet sich in einer veränderten, risikoscheuen und konformistischen Welt nicht mehr zurecht. Vor solchen Überraschungen ist Mark Turner mit seiner zeitlosen Musik aber ganz sicher gefeit.

(ECM/Universal)